Bombay trotzt den Bombenanschlägen

Bei sieben koordinierten Attentaten auf einen Vorortzug der indischen Wirtschaftsmetropole Bombay kommen mindestens 200 Menschen ums Leben. Am Tag danach findet die Stadt zur Normalität zurück, befürchtete Racheakte bleiben aus

VON REGINE HAFFSTEDT

Am Tag nach den verheerenden Bombenanschlägen auf sieben Vorortzüge kehrt Bombay langsam zur Normalität zurück. Die Zahl der Opfer steigt jedoch weiter: Mindestens 200 Menschen kamen bei den Anschlägen auf sieben Pendlerzüge am Dienstagabend ums Leben, 714 Menschen erlitten zum Teil schwere Verletzungen, melden die Medien. Die Sicherheitsbehörden sind davon überzeugt, dass nur eine große Terrorgruppe die Anschläge verübt haben könnte. Die militante Kaschmir-Gruppe Laschkar-i-Taiba verurteilte jedoch gestern in einer Erklärung die Anschläge und dementierte jegliche Beteiligung.

In den Krankenhäusern der Stadt herrscht Hochbetrieb. Übermüdete Ärzte operieren Schwerverletzte, verzweifelte Menschen suchen ihre Angehörigen. In der Nacht waren die von Bomben zerfetzten Waggons abgeschleppt und die Gleise geräumt worden, sodass die Vorortzüge wieder planmäßig fahren. „Die Situation ist normal“, berichtet die Journalistin Lyla Bavadam der taz. „Die Züge sind voll, auf den Straßen rollt der Verkehr. Schulen und Büros sind alle offen.“ Erleichtert stellt Bavadam fest, dass es nicht zu gewalttätigen Racheakten kam, wie viele befürchtet hatten.

Indiens Finanz- und Wirtschaftsmetropole erlebt jetzt den dritten Ausnahmezustand innerhalb einer Woche. Am vergangenen Mittwoch brachen nach drei Tagen heftiger Regenfälle die Verkehrsverbindungen zusammen. Die meisten Schulen und Büros blieben am 5. Juli geschlossen, um weiteres Chaos in den Straßen zu vermeiden. Am Sonntag lähmten gewalttätige Ausschreitungen von Anhängern der rechtsradikalen Hindupartei Shiv Sena Bombay und benachbarte Städte. Die Randalierer reagierten damit auf die bislang ungeklärte Besudelung einer Statue der Mutter ihres Parteiführers Bal Thackeray.

Die schier unerschöpfliche Geduld der Menschen in Bombay erklärt Bavadam damit, dass die meisten unter extrem schwierigen Bedingungen zu überleben gelernt haben: „Die Leute sind müde, erschöpft. Aber das Leben muss weitergehen. Schließlich müssen sich die meisten ihren täglichen Lebensunterhalt hart erkämpfen.“

Mit geschätzten 18 Millionen Einwohnern ist Bombay, das vor rund zehn Jahren in Mumbai umgetauft wurde, die fünft-größte Stadt der Welt. Ein traditionsreicher Hafen, der Sitz der Börse, riesige Fabriken und prachtvolle Niederlassungen multinationaler Konzerne machen Bombay zum Handels- und Wirtschaftszentrum des Landes. Märchenhafter Reichtum existiert Seite an Seite mit bitterer Armut. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Slums. Die Stadt ist auf einer Halbinsel im Arabischen Meer gebaut, an dessen Südspitze sich das Finanz- und Verwaltungszentrum befindet. Die meisten Menschen wohnen in den preiswerteren Vororten im Norden. Mehr als 4 Millionen Personen fahren täglich mit den „Locals“, den Vorortzügen, zur Arbeit ins Zentrum.

Aber schon an „normalen“ Tagen wundert man sich, dass diese Stadt funktioniert. Dauerstaus, Stromausfälle, Lärm und Gestank machen den Menschen das Leben schwer. Streiks und Unruhen können die chronisch überlastete Infrastruktur schnell zum Zusammenbruch bringen.

Das gilt auch für Terroranschläge. In den vergangenen vier Jahren erlebte Bombay fünf Bombenanschläge, die meisten zielten auf öffentliche Verkehrsmittel. Am 25. August 2003 explodierten zwei in Taxis versteckte Bomben am Touristenzentrum Gateway of India sowie im Goldbasar und töteten 46 Menschen. Im März desselben Jahres starben 11 Passagiere, als eine Bombe im Frauenabteil eines Vorortzuges explodierte.