Aids-Aktivisten gehen in Wien auf die Barrikaden

ÖSTERREICH Internationale Konferenz von Protesten begleitet – gegen die Diskriminierung Erkrankter

WIEN taz | Kein Tag vergeht, an dem die Internationale Aids-Konferenz in Wien nicht Schauplatz von Protesten wäre. Am Mittwoch wurde der Stand der EU in der Ausstellungshalle kurze Zeit von Aids-Aktivisten besetzt. Der Protest richtete sich gegen die Praxis der EU-Zollbehörden, Generika an der Grenze zu beschlagnahmen. 2009 seien in 18 Fällen in Indien hergestellte generische Medikamente beim Transport nach Afrika oder Brasilien aufgehalten worden.

Am Dienstagnachmittag stürmten Prostituierte beiderlei Geschlechts eine Pressekonferenz mit Eric Goosby, dem Aids-Koordinator der US-Regierung. Grund der Empörung war das von ihm mitverantwortete US-HIV-Programm Pepfar (President’s Emergency Plan for Aids Relief), das 2002 von George Bush lanciert wurde. Es privilegiert den Aufruf zu sexueller Enthaltsamkeit und ehelicher Treue gegenüber umfassenden Aufklärungsprogrammen. Wenige Stunden vorher hatte das Center for Health and Gender Equity (Change) darauf hingewiesen, dass sich trotz anderslautender Ankündigungen von Barack Obama in der US-Anti-Aids-Politik wenig geändert habe. Ein neues Gesetz, das den Gebrauch von Kondomen nicht mehr verpönt, geht den Aktivisten nicht weit genug.

Ordnungsgemäß angemeldet war hingegen die Großdemo am Dienstagabend, bei der tausende Menschen auf dem Wiener Heldenplatz für Menschenrechte und gegen die Diskriminierung von Aidskranken demonstrierten. Viele wurden wohl auch von der schottischen Sängerin Annie Lennox angelockt, die die Veranstaltung mit einem Piano- und Gesangssolo krönte. Zuvor hatte die „UN-Aids-Botschafterin des guten Willens“ den Gastgeber Österreich gescholten, sich zu wenig gegen Aids zu engagieren. Gesundheitsminister Alois Stöger, SPÖ, wurde prompt ausgebuht, als er das Wort ergriff.

Diskriminierende Gesetze sind in vielen Teilen der Welt ein Problem bei der wirksamen Bekämpfung der Immunschwächekrankheit. In Asien und der Pazifikregion wird der einvernehmliche Sex zwischen Männern immer noch in 19 von 48 Ländern kriminalisiert. In Afghanistan und Pakistan droht die Todesstrafe, in einigen weiteren islamischen Ländern werden Schwule ausgepeitscht. Eine vom United Nations Development Programme (UNDP) in Auftrag gegebene Studie hat jetzt belegt, dass die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen und Transgenderpersonen die Maßnahmen gegen die HIV-Verbreitung empfindlich behindert.

RALF LEONHARD