LESERINNENBRIEFE
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Politisches Bewusstsein

■ betr.: „Verdummt in alle Ewigkeit“, taz vom 20. 7. 10

Wahnsinn. Das politische Bewusstsein wird in Deutschland immer noch durch die Bild-Zeitung und RTL II erzeugt, alles andere sind Wunschfantasien. Die Liste hieße dann heute das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem, Einführung der Todesstrafe, Wiederherstellung des Führerstaates! Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Interesse der Grünen ist! BERND HERMANN, Bochum

Verwirrte Mittelschicht

■ betr.: „Verdummt in alle Ewigkeit“, taz vom 20. 7. 10

Wenn schon ein Oberbürgermeister wie Ole van Beust zurücktritt, bezeichnenderweise zum Volksentscheid in Hamburg, muss einem klar werden, was uns eine verwirrte Mittelschicht und reaktionäre Oberschicht bezüglich neuer, wichtiger Entwicklungen unserer Zeit aufzeigt. Viele Wissende geben derzeit auf.

Es muss allen klar werden, dass die Gesamtschule die einzige Chance für Bildungsgleichstand und positive Entwicklung Deutschlands ist. Dies zeigen auch die positiv konsequenten Verfahrensweisen unserer nordischen Partnerländer. Dies auch aus meiner Erfahrung nach über sechs Jahren Schulvorstand. Wir brauchen Ruhe, weltliche Intelligenz und Sachverstand für eine positive Weiterentwicklung unseres Landes. THOMAS SCHMITT-ZIJNEN, Frankfurt am Main

Ein ehrenwerter Versuch

■ betr.: „Die Oberschicht macht dicht“, taz vom 20. 7. 10

Was einen DDR-geprägten Lehrerrentner schon lange wundert, ist das ewige Herumbasteln an den Strukturen durch die jeweils alle fünf Jahre neu an die Macht kommenden Parteien und ihre Minister. Wie in Hamburg Unterprivilegierte und Bürgerkinder wenigstens sechs Jahre zusammenbleiben zu lassen ist ein ehrenwerter Versuch. Aber ich würde großes Verständnis dafür haben, wenn meine Enkel lieber in eine Privat- als in so eine Stadtteilschule gehen wollten.

Ein Hauptproblem, über dessen Lösung viel zu wenig öffentlich und von den Bildungsfunktionären in Bürokratie und Wissenschaft nachgedacht wird, ist, wie man lernschwache oder -unwillige Schüler davon abbringt, Mitschüler und Lehrer zu tyrannisieren und einen wirksamen Unterricht unmöglich zu machen. Das war schon in der autoritären DDR schwierig. Wie viel mehr ist es das im jetzt liberalen Gesamtdeutschland ohne den nationalen Zusammenhang, den offenbar die bei Pisa erfolgreichen Länder aufweisen! Wenn man auf diesem entscheidenden Feld vorankäme, könnte man das dreigliedrige Schulsystem ruhig weiterführen! JOACHIM LANGE, Rostock

Volksentscheide mit Wahlpflicht

■ betr.: „Verdummt in alle Ewigkeit“, taz vom 20. 7. 10

Deutlicher kann man nicht machen, was Volksentscheide bewirken können – und das bei Themen, wo eben jetzt nicht der plumpe „Volkszorn“, sondern die „kultiviertere“ Variante der Unterschichtsverachtung mobilisiert hat. Noch weniger Menschen als bei Wahlen entscheiden, und dann auch noch bindend?

Wenn Volksentscheide, dann nur im Rahmen von Wahlpflicht oder bei ganz hoch gesetzten Grenzen der Mindestwahlbeteiligung. Und da uns schon die aktuelle Beteiligung bei Parlamentswahlen zu gering sein muss, um als Volksbeteiligung zu gelten, dann sollte diese Grenze bei 75 Prozent liegen.

Und die Grünen sollten gemerkt haben, dass Schwarz-Grün keinen Sinn macht, wenn man mit der CDU nicht einmal ein wichtiges Thema vermittelt bekommt. Wozu also damit weitermachen in Hamburg oder sonst wo? THOMAS KELLER, Königswinter

Menschen an die Urnen rufen

■ betr.: „Permanente Mobilmachung“, taz zwei vom 20. 7. 10

Permanente Mobilmachung? Bürger an die Urne? Wenn es nach Herrn Fanizadeh ginge, dann sollten die Bürger lieber am Baggersee liegen und ihre Volksvertreter entscheiden lassen, was für sie gut und richtig ist. Hier wird gegen das Plebiszit gewettert, weil in Hamburg falsch gewählt wurde. Ziemlich kurzschlüssig gedacht. Abgesehen davon, sind die Beispiele doch gut geeignet, die Menschen an die Urnen zu rufen: bedingungsloses Grundeinkommen, Menschrenrechte für Frauen und Männer … JOACHIM BESSELL, Moos

Jammern auf hohem Niveau

■ betr.: „Die verlassenen Macchiato-Mütter“, taz vom 17. 7. 10

Dieser arrogante Artikel ist wohl ein Schlag ins Gesicht für viele Alleinerziehende, die nicht über eine gute Berufsausbildung und bereits erworbene Standards verfügen.

Natürlich sinkt nach einer Trennung der Lebensstandard, weil der/die Erziehende seine/ihre Zeit zwischen Lebensunterhalt und Familienarbeit aufteilen muss. Aber was hatten die Autorin und die vorgestellten Frauen denn erwartet? Dass nur schlecht ausgebildete Hilfsarbeiterinnen von ihren Männern verlassen werden? Die würden dann jedenfalls nicht klagen, weil sie Probleme haben, 800 Euro Miete aufzubringen, denn die konnten sie sich schon vor der Trennung nicht leisten. Und so lange Musikschule für den Nachwuchs noch drin ist, hört sich der Artikel für mich doch sehr nach Jammern auf hohem Niveau an. MARTINA TÖLLE, Hofgeismar