Uhlenberg wittert Öko-Image

AUS DÜSSELDORF GESA SCHÖLGENS

Ein leises Zischen, und aus dem Schlauch fließt eine bräunliche Flüssigkeit in den Glaskolben. Versuchsweise schnuppert Umweltminister Eckhard Uhlenberg an der Probe. „Das können Sie ruhig trinken. Hier im Düsseldorfer Hafen ist das Wasser sauber“, ruft der Präsident des Landesumweltamtes seinem Gast zu und hält ihm die Brühe dicht vor die Nase. Uhlenberg möchte lieber nicht. „Riecht gut“, sagt er pflichtschuldig. – „Da haben Sie recht. Nicht wie in den 60ern, als man mit dem Wasser des Rheins noch einen Film entwickeln konnte“, scherzt Präsident Harald Irmer. Damals war der Fluss mit Industriegiften wie dem Lösemittel Phenol verseucht – und stank bestialisch. Von urspünglich 180 Kleinlebewesen waren Mitte der 70er nur noch 40 nachweisbar.

Uhlenberg ist aber nicht nur an Bord des Laborschiffes „Max Prüss“, um das Wasser des Rheins zu kontrollieren. Seine Pressestelle hat sich für seine politische Jahresbilanz etwas besonderes einfallen lassen: eine Bootstour von Düsseldorf nach Neuss und zurück. Am Anleger der Wasserschutzpolizei beginnt die Fahrt. Die „Max Prüss“ ist eins von drei Laborschiffen, die an 220 Tagen im Jahr den Rhein, seine Nebenflüsse und die westdeutschen Kanäle befahren. Zwischen Bad Honnef im Süden und Kleve-Bimmen im Nordwesten entnimmt die fünfköpfige Crew Wasser- und Bodenproben. Diese werden vom Landesumweltamt auf Schadstoffe untersucht.

Baden verboten

Unter Deck warten keine nach Fisch müffelnden Kombüsen, sondern ein luxuriöser „Multifunktionsraum“ mit rundem Tisch und Polsterstühlen. Die andere Hälfte des Raums ist ein Labor mit blank polierten Messgeräten. Hinter Fensterglas glitzert der Rhein in der Sonne. An den Wänden hängt außer Schautafeln mit Muscheln und Krebsen auch ein Porträt des Namensgebers: Max Prüß war bis 1953 Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft.

Mit Kaffee und Schinken-Schnittchen vertreiben sich einige Journalisten die Zeit, bis Uhlenberg eintrifft. Der Christdemokrat ist kurz vor seinem Urlaub entspannt und selbstsicher wie immer. Heute trägt er nicht einmal eine Krawatte. Im Schlepptau hat Uhlenberg seinen Pressesprecher, der kaum einmal von seiner Seite weicht. Nordrhein-Westfalens Flüsse und die Wasserqualität liegen dem Minister am Herzen. Das zumindest will er auf dieser Tour unter Beweis stellen. Schon oft haben ihm seine Kritiker vorgeworfen, hauptsächlich die Interessen der Landwirte zu vertreten.

Der Zustand des Rheins kann Uhlenbergs Ansehen kaum schmälern. Tatsächlich habe sich der Fluss nach dem „Rhein-Gau“ erholt, versichert Irmer. In Basel waren 1986 nach einem Brand beim Chemiekonzern Sandoz Tonnen gefährlicher Chemikalien in den Fluss gelaufen, die fast alles Leben auslöschten.

„Heute ist der Rhein ein weltweites Beispiel für eine gelungene Flusssanierung“, sagt Irmer. Das Wasser gilt als „mäßig belastet“. Privates Abwasser wird durch den Bau von Kläranlagen systematisch gereinigt. Auch die Industrie leitet weniger Schmutzwasser ein. Aber: „Baden sollte man dennoch nicht im Rhein“, mahnt der Präsident. Sorge bereiteten nach wie vor Arzneimittel im Wasser oder Benzin-Zusatzstoffe, die auf dem Rhein transportiert werden. Dagegen spielten Pestizide aus der Landwirtschaft kaum eine Rolle. Uhlenberg kann sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen.

Neue Arten im Rhein

Allmählich haben Fische und Kleinstlebewesen den Fluss zurückerobert. „Allerdings sind es jetzt andere Arten als noch vor 50 Jahren“, sagt Arne Haybach, Biologe beim Landesumweltamt. Denn der Rhein ist wärmer geworden. Im Winter beträgt seine Temperatur heute zwischen einem und vier Grad – früher war der Fluss noch gefroren. „Der Grund dafür ist nicht nur die schleichende Klimaveränderung“, sagt Haybach. Auch Wärmekraftwerke, die das Flusswasser zur Kühlung einsetzen, trügen ihren Teil dazu bei. Zudem gebe es immer mehr Salz im Wasser, das aus den Salzbergwerken in Duisburg-Walsum und Rheinberg eingeschwemmt würde. Haybach will auch dem Minister zeigen, was das für die Tierwelt bedeutet. Die Gruppe begibt sich wieder an Deck, frisch aufgetischtes Obst und Rohkost bleiben vorerst unberührt. Ein Greifarm am Bug des Schiffes befördert brummend ein paar große Brocken Flusssteine an Bord. Die Bodenschichten – Sedimente – sind das Gedächtnis des Flusses. In ihnen könne man die Geschichte des Rheins lesen. Jede Umweltkatastrophe hinterlasse ihre Spuren, erklärt Haybach dem Minister und der Presse.

Der Biologe klaubt ein fingernagelgroßes, bräunliches Tierchen von der schlickverschmierten Oberfläche eines der Steine: „Das ist eine Donau-Assel. Sie verdrängt typische Rheinarten wie den Schneckenegel.“ Auch ein winziger Krebs krabbelt umher. „Dieser Schlickkrebs lebt normalerweise im Salzwasser.“

Bei der nächsten Baggerfuhre krempelt auch Minister Uhlenberg die Hemdsärmel hoch. Eifrig kratzt er mit einer Schaufel einen Haufen braungrauer Körbchenmuscheln aus den Greifarmen. „Eigentlich eine subtropische Art“, erklärt Haybach. Auch eine Stunde später ist Uhlenberg noch umringt von Kameras und Reportern. Fällt deswegen seine versprochene Bilanz so kurz und oberflächlich aus? Zum aktuellen Tensid-Skandal an Ruhr und Möhne sagt der Minister: „Noch ist unklar, wer für die Verschmutzung der Flüsse verantwortlich ist.“ Man nehme das Problem ernst und werde „für eine gute Wasserqualität sorgen“. Um das zu erfahren, hätte niemand aufs Schiff steigen müssen.

Als künftige Schwerpunkte seiner Arbeit nennt der Minister Feinstaub, Umgebungslärm und den Hochwasserschutz, „nicht nur an großen Gewässern, sondern auch an den Nebenflüssen.“ Daran werde nicht gespart, verspricht Uhlenberg. Er sei besonders „froh“, dass die Deutsche Steinkohle AG künftig keine Kohle mehr unter dem Rhein abbaue.

Veraltete Deiche

Der Minister betont, auch in Zukunft beim Hochwasserschutz eng mit den Niederlanden zusammenarbeiten zu wollen. Am Niederrhein sollen neue Rückhaltebecken entstehen, außerdem müssten mehr Flüsse renaturiert werden. Alles natürlich „in Kooperation mit der Landwirtschaft“. Auch damit verrät er nichts Neues. Viele Landwirte wehren sich nach wie vor gegen die Freigabe ihrer Äcker für den Hochwasserschutz.

Von den 250 Kilometern Deich in NRW müssen immerhin noch 115 Kilometer saniert werden. Das sieht das Hochwasserschutzkonzept der Landesregierung vor. „Das heißt aber nicht, dass diese Deiche total marode sind“, sagt Hochwasserexperte Bernd Mehlig vom Landesumweltamt. Einige Deiche hätten noch keinen modernen Kern aus Lehm, der sie haltbarer gegen Erosionen macht. Bei Hochwasser könnten sie aber mit Sandsäcken „in einen guten Zustand gebracht werden“. Außerdem gebe es genug Deichbeobachter, beruhigt der Experte. Es sei aber besser, Überschwemmungsgebiete zu schaffen. Denn selbst modernere Deiche seien nur bis zu zwölf Metern Höhe stabil.

Während das Schiff wieder im Düsseldorfer Hafen anlegt, verabschiedet sich der Minister höflich von seinen Bootskameraden. Ein Lokalreporter ist vor lauter Hektik nicht zum Essen gekommen und schnappt sich noch schnell eine Frikadelle vom Buffet. Andere tauschen Visitenkarten. Die BILD-Fotografin schießt ein letztes Foto: Uhlenberg neben Irmer, beide locker an die Reling gelehnt. Aber etwas stört den Minister: „Ich ziehe für das Foto noch schnell mein Jackett an. Sonst sieht es aus, als wäre ich schon im Urlaub.“ Und das soll schließlich keiner denken.