Richterin im Wartestand

Mit ihren jetzt 50 Jahren könnte Elena Kagan für Jahrzehnte Einfluss auf die Recht- sprechung der USA nehmen

Wenn nichts mehr schiefgeht, wird Elena Kagan bald eine der wichtigsten Personen in den USA sein. Die 50-Jährige erhielt am Dienstag die Zustimmung des Justizausschusses des Senats für ihre Nominierung für den Obersten Gerichtshof. Sie wäre erst die vierte Frau in diesem Gericht – und die jüngste. Da die Ernennung auf Lebenszeit ist, könnte sie auf Jahrzehnte Einfluss auf die Rechtsprechung der USA nehmen. Kagan muss jetzt noch vom Senatsplenum bestätigt werden, das noch vor der Sommerpause im August über sie abstimmen will.

Vor dem Senat war Kagan bereits einmal gescheitert. 1999 hatte der damalige Präsident Bill Clinton sie als Richterin für ein Berufungsgericht vorgeschlagen, konnte sie aber gegen den harten Widerstand der damaligen republikanischen Kongressmehrheit nicht durchsetzen. Auch diesmal stimmten die Senatoren im Ausschuss je nach Parteizugehörigkeit für oder gegen Kagan. Lediglich der republikanische Senator Lindsay Graham aus South Carolina stimmte gemeinsam mit der demokratischen Ausschussmehrheit für die Nominierte – allerdings aus der prinzipiellen Überlegung, der Senat müsse wenigstens bei Richternominierungen seine parteipolitische Spaltung überwinden und das Nominierungsrecht des Präsidenten anerkennen. Für Kagan spreche ihr Charakter und ihre Qualifikation.

Elena Kagan, von den Republikanern als Linke angefeindet, war 2009 von Barack Obama auf den Posten des Solicitor General berufen worden, der die Bundesregierung bei Rechtsstreitigkeiten vor dem Obersten Gerichtshof vertritt. Zuvor war sie Dekanin der Harvard Law School – in beiden Ämtern jeweils die erste Frau auf dem Posten.

Kagans Auftritte vor dem Justizausschuss haben unterschiedliche Eindrücke hinterlassen – während die Republikaner ihr vorwarfen, schon für die Clinton-Regierung zu Themen wie Waffenkontrolle oder Abtreibung radikale Positionen vertreten zu haben und ideologisch zu argumentieren, vermelden die liberalen Medien überzeugende, von Professionalität geprägte Senatsanhörungen. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist im polarisierten Washington Interpretationssache. In Zukunft wird Kagan an führender Stelle mit interpretieren. BERND PICKERT