Noch keine heiße Spur zu den Tätern

Im indischen Bombay suchen die Sicherheitsbehörden nach den Bombenanschlägen vom Dienstag die Täter allein unter Muslimen. Die Spekulationen sehen militante Kaschmir-Separatisten, lokale Schläferzellen oder beide zusammen als Täter

VON REGINE HAFFSTEDT

Zwei Tage nach den Bombenanschlägen auf Vorortzüge in Bombay fehlt den Behörden ein konkreter Hinweis auf die Urheber. In der Öffentlichkeit zirkulieren diverse Theorien, die militante Kaschmirseparatisten, lokale Schläferzellen oder beide zusammen für die Tat verantwortlich machen. Premierminister Manmohan Singh bekräftigte am Mittwoch den Willen, dem Terror zu widerstehen: „Niemand kann Indien in die Knie zwingen. Niemand kann unseren Weg zum Fortschritt durchkreuzen. Die Räder unserer Wirtschaft werden sich weiter drehen.“

Bombays Polizei bildete sieben Sonderkommandos für die Suche nach den Tätern. In der Stadt wurden Hotels kontrolliert und bisher bis zu 300 Vorbestrafte verhaftet. Aus der Analyse von Telefondaten erhofft man sich weitere Hinweise, etwa über Gespräche, die zum Zeitpunkt der Anschläge nach Kaschmir oder in den Nahen Osten geführt wurden. Nach Zeugenangaben wurden Phantombilder von Verdächtigen angefertigt. Die Regierung Maharaschtras, dessen Hauptstadt Bombay ist, setzte umgerechnet 50.000 Euro Belohnung für sachdienliche Hinweise aus. Gestern überwältigte eine Menschenmenge vier Männer in einem Bahnhof, die sich angeblich verdächtig verhalten hatten und übergab sie der Polizei.

Die Behörden sind sich einig, dass die sieben koordinierten Anschläge nur von einer großen Terrorgruppe ausgeführt werden konnte. Doch von welcher? Die wichtigste Separatistengruppe in Kaschmir, Laschkar-i-Taiba, verurteilte die Anschläge als „barbarisch“ und stritt jede Beteiligung ab. Die Regierung hat stets verneint, dass Al-Qaida Stützpunkte in Indien hat. Daher gewinnt die These, auswärtige Terroristen könnten sich einheimischer Schläferzellen bedient haben, an Boden. „Solche Elemente sind viel gefährlicher als die Terroristen selbst, denn sie kennen die Lokalitäten und spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Anschlages“, meint der Terrorexperte D. B. Schekatkar.

Im Zentrum des Interesses steht die verbotene Islamische Studentenbewegung Indiens (Simi). Die Polizei fahndet nach vier Simi-Mitgliedern in Scholapur, 400 Kilometer östlich von Bombay, die seit Dienstag spurlos verschwunden sind. Vor wenigen Wochen noch hatte die Polizei mehrere mutmaßliche Simi-Schläferzellen ausgehoben und große Mengen Sprengstoff beschlagnahmt.

Medien werfen die Frage auf, warum alle sieben Bomben nur auf einen der beiden Gleiskorridore zielten, die Bombay von Nord nach Süd durchziehen und warum nur Erste-Klasse-Abteile betroffen waren. Unter den Opfern seien überdurchschnittlich viele Menschen, deren Namen darauf schließen ließe, dass sie aus dem nördlichen Nachbarstaat Gujarat stammen. Offenbar hätten es die Täter gezielt auf Geschäftsleute von dort abgesehen, die entlang dieser Bahnlinie siedeln. Das ergäbe auch ein Motiv: Vergeltung für die Pogrome von 2002, als Hindus in Gujarat eintausend Muslime töteten.

Gegenwärtig konzentriert sich die Suche ganz auf Muslime. Damit kommt auch Pakistan ins Spiel, das sich als Beschützer aller Muslime auf dem Subkontinent sieht. Pakistans Außenminister Kurschid Mahmud Kasturi wies jede Verbindung seines Landes zu den Anschlägen zurück. Doch seine Worte, Indien könne den Terror wirksamer bekämpfen, wenn es das Kaschmirproblem löse, stießen dort auf Verärgerung. In den letzten Monaten hatten beide Länder Schritte der Annäherung vollzogen und einen Busverkehr zwischen beiden Teilen Kaschmirs zugelassen. Vor den Anschlägen wurde gemeldet, Indiens Premier könne bald Pakistan besuchen.

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