„Unsere Kohle ist ihr Kohldampf“

ROHSTOFFE Wenn in den geplanten neuen Kraftwerken wie beispielsweise in Krefeld demnächst Kohle verfeuert wird, schwächt das Länder wie Kolumbien, sagt der Menschenrechtsaktivist Sebastian Rötters

■ 34, ist Historiker und Politologe. Bei der Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland arbeitet er als Referent für Bergbau.

taz: Herr Rötters, Sie kämpfen für das Recht auf Nahrung und beschäftigen sich mit Kohlebergbau. Passt das zusammen?

Sebastian Rötters: Wir verbinden in Deutschland Kohle ja nur mit Klimawandel und Bergbau. Vielen Menschen auf der Welt vernichtet der Kohlebergbau aber ihre Lebensgrundlagen. Unsere Kohle ist deren Kohldampf.

Haben die geplanten Kohlekraftwerke in Krefeld, Datteln oder Moorburg Auswirkungen etwa auf Kolumbien?

Der größte Teil unserer Kohle ist Importkohle, die wir um die halbe Welt schiffen, um sie hier zu verbrennen. Kolumbien ist einer der wichtigsten Lieferanten für deutsche Kraftwerke. Für viele Menschen in den Minengebieten dort bedeutet das: sie werden häufig vertrieben, können ihre Tiere nicht mehr weiden lassen und verarmen. Der Preis für unsere Kohle ist viel zu hoch. Nur zahlen ihn andere für uns.

Wie sieht das genau aus?

In der kolumbischen Mine Cerrejón wird nicht mit Schaufelbaggern, sondern mit Sprengungen gearbeitet. Es gibt täglich schwere Detonationen, eine gigantische Staubentwicklung, wobei Schwermetalle freigesetzt werden. Und es stellt sich auch generell die Frage, ob der Kohlebergbau überhaupt zur Entwicklung des Landes beitragen kann.

Wieso?

Trägt es zur Entwicklung bei, wenn in einer der trockensten Regionen des Landes so enorm viel Grundwasser verbraucht wird wie für den Kohleabbau? Oder wenn Bergbaugewerkschafter niedergeschossen werden wie gerade erst wieder? Oder wenn der größte Teil der Profite in die Taschen von korrupten Beamten fließt?

Was schlagen Sie vor?

Es ist nicht akzeptabel, dass europäische Unternehmen riesige Gewinne nach Hause tragen, aber keine Pflichten übernehmen müssen. Während sie mit Corporate Social Responsibility werben, werden die Menschenrechte weiter mit Füßen getreten. Außerdem müssen auch profitierende Staaten wie Deutschland zur Verantwortung gezogen werden. Wir können nicht auf eine Stromversorgung setzen, die auf der Missachtung von Menschenrechten basiert. Heute ist bei den konventionellen Anbietern nicht einmal transparent nachzuvollziehen, was aus der Steckdose kommt. Wenn ich in meinem Wohnzimmer sitze, muss ich aber wissen, ob der Strom aus blutiger Kohle stammt.

„Trägt es zur Entwicklung bei, wenn Gewerkschafter erschossen werden?“

Wenn Sie so gegen Kohle sind, freuen Sie sich sicher über eine geplante Verlängerung der Atomlaufzeiten?

Das ist natürlich Quatsch. Beim Abbau von Uran gibt es das gleiche Problem. Die Antwort kann nur sein: Solange wir Kohle und andere fossile Energien verbrauchen, wird es diese Zustände geben. Wir müssen deshalb mit aller Kraft die Energiewende schaffen, um diese fortschreitende ökologische und soziale Zerstörung zu bekämpfen.

INTERVIEW: MARTIN KAUL