„Megahammerhartes Business“

Die kinderbunten Kleider, die Doreen Schulz und Clara Leskovar auf ihrem Label c.neeon entwerfen, werden von den Fashion-Fans in Shibuya, London und Mailand geliebt. Nun zeigen sie ihre Mode sogar im Kunstgewerbemuseum

Understatement gehört nicht zu ihren Stärken. Wenn Clara Leskovar und Doreen Schulz Farbe wünschen, entscheiden sie sich für Töne, die richtig knallen. Stoffe bedrucken sie so großflächig, dass es wirkt, als hätten nur Fragmente des Motivs auf die Bahn gepasst. Und mit Materialien gehen sie so verschwenderisch um, dass man meint, in ihren Kleidungsstücken könnten gleich zwei Personen Platz finden. Die Mode von Leskovar und Schulz mag in Berlin noch nicht zum alltäglichen Straßenbild gehören. Trotzdem hat sich ihr Label c.neeon unter all den jungen Labels, die in den letzten beiden Jahren in der Stadt hoch gehandelt wurden, als dasjenige entpuppt, was am großzügigsten vom Erfolg geküsst wurde. Im April 2005 konnten die beiden im südfranzösischen Hyères beim „Internationalen Festival der Mode und Fotografie“ einen der wichtigsten Preise für Nachwuchsdesigner einheimsen. Die Mini-Kollektion, die sie daraufhin für Topshop in London entwarfen, war prompt ausverkauft.

Kennengelernt haben sich die Designerinnen auf der Kunsthochschule Weißensee. Ihre erste c.neeon-Kollektion war gleichzeitig ihr gemeinsames Diplomprojekt. Heute zeigen sie in Paris, in London, in Mailand und Tokio. Vor allem dort kaufen Fans ihre Teile direkt aus dem Schaufenster, ohne Anprobe. Kein Wunder: c.neeon-Outfits funktionieren noch im heftigsten Großstadt-Geblinke, etwa in Shibuya, verlässlich als Eyecatcher. Ins Bild passt da weniger, dass die beiden ihre Mode an einem verwunschen wirkenden Märchenort entwerfen – in den Räumen einer verwaisten Kindertagesstätte in Lichtenberg. Vor einem Jahr sind sie mit befreundeten Grafikern, Textern und Fotografen hier raus gezogen – in den „Heikonaut“: eine Mischung aus interdisziplinärem Mini-Bauhaus und Kulturzentrums-Modellprojekt. Wenn c.neeon an Kunden in „UK“ adressierte Pakete aufgeben, denken die Postbeamten in Lichtenberg bisweilen noch, es solle in die Ukraine gehen.

Als die beiden ihr Label starteten, waren sie längst keine Kunsthochschul-Greenhorns mehr: Schulz hatte parallel zum Studium in Antwerpen bereits fünf Jahre bei dem deutschen Designer Bernhard Willhelm als Produktionsmanagerin geschuftet. Leskovar hatte bei dem Berlin-Pariser Designlabel Bless gearbeitet. Vom „megahammerharten Modebusiness“ (Leskovar) hatten sie genug Ahnung, um zu wissen, dass man als Newcomer von der Presse noch so bejubelt werden kann: Wenn die neue Kollektion nicht rechtzeitig in den Läden hängt, nützt das nichts.

Um ihre Wege kurz zu halten und zur Not – wenn eine Deadline pressiert – auch mal persönlich Druck machen zu können, haben sich c.neeon bislang dafür entschieden, im Inland zu produzieren. Ihre Mäntel kommen aus Reinickendorf, ihre aufwendigen Strickteile aus dem thüringischen Apolda, auch in Pankow wird für sie genäht. „In Japan reagieren die Leute total positiv darauf, dass in unseren Sachen ‚Made in Germany‘ steht“, meint Schulz.

In der aktuellen Sommerkollektion kombiniert das Duo seine konsequent abstrakten, aus Blockstreifen und harten Farbkontrasten bestehenden Motive erstmals mit Blumenmustern. Doch in Richtung einer Landhauskuscheligkeit à la Laura Ashley entwickeln sich die beiden nicht. Im Gegenteil: In ihren mal von Sonic-Youth-Alben, mal von Cyberspace-Romanen und – immer wieder – vom Dekonstruktivismus inspirierten Entwürfen erforschen sie wagemutig die Beziehung zwischen Form und Fläche. Zwölf Meter Stoff werden zu einem bunten Plisseerock, mehr als 20 Meter Kordel zur Kapuze eines Pullovers. Und die internationale Kundschaft zieht mit.

Dass ihre Arbeit mittlerweile für museumsreif befunden wird und das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum gerade seine neue Ausstellungsreihe „In Sachen“ mit ihnen eröffnet hat – im Grunde ist auch dies nur eine weitere Fußnote in einer Mode-Erfolgsstory. Und Leskovar und Schulz? Freuen sich einfach darüber, dass sie in der Ausstellung auch schon ihre neue Herbst-Winter-Kollektion „Haschmichmädchen“ – die mit den merkwürdigen Kordelkapuzen – zeigen können: „Das hat man ja eher selten, dass die Zukunft schon im Museum hängt.“

JAN KEDVES

„In Sachen: c.neeon“, bis 17. 9., Kunstgewerbemuseum, Kulturforum. Der Katalog kostet 12 Euro. www.cneeon.de