Lästig, aber menschlich

SCHWITZEN Viele Menschen empfinden Schweiß als unangenehm. Das Angebot an Deos und Antitranspiranten ist deshalb groß. Dabei ist Schwitzen ganz natürlich und wichtig zur Regulierung der Körpertemperatur

Es muss nicht immer Deo sein. Einige Tipps zur Vermeidung von unangenehmen Gerüchen schonen Geldbeutel und Nase.

■ Rasieren der Achselhaare zerstört den Bakterien-Wohnraum und verhindert dadurch die Geruchsbildung.

■ Weite Kleidung aus Leinen oder Baumwolle statt enger Synthetik tragen. Beim Sport empfiehlt sich Funktionswäsche.

■ Scharfes Essen vermeiden.

Übergewicht kann zu vermehrtem Schwitzen führen, daher ein wenig auf die Figur achten.

■ Hausmittel gegen Schweißflecken auf der Kleidung sind Backpulver und Essigessenz.

■ Medikamente und operative Eingriffe sollten erst bei krankhaftem Schwitzen (Hyperhidrose) in Betracht gezogen werden.

VON HOLGER FRÖHLICH

Ein großer deutscher Baumarkt warb unlängst mit dem Slogan: „Schweiß fließt, wenn Muskeln weinen“. So schön das klingt, es ist nur die halbe Wahrheit. Man kann den Werbestrategen aber kaum verdenken, dass sie nicht getitelt haben: „Schweiß fließt, weil die ekkrinen Drüsen eine erhöhte Körpertemperatur regulieren wollen“. Bis zu vier Millionen solcher Schweißdrüsen sind auf dem menschlichen Körper verteilt. Am dichtesten besiedelt ist mit 600 Stück pro Quadrat-Zentimeter die Fußsohle, also das Schweiß-Nordrhein-Westfalen des Körpers. Mecklenburg-Vorpommern, um bei dem Vergleich zu bleiben, ist mit 100 Drüsen je Quadrat-Zentimeter der Oberschenkel.

Doch wen interessieren Zahlen und Vergleiche an Tagen, an denen man bereits nach dem Duschen schon wieder Duschen könnte? Was hilft also gegen das verstärkte Schwitzen?

Nichts als Wasser

Um das zu beantworten, ist ein zweiter Blick auf die Körperfunktionen unentbehrlich. Schweiß ist zuerst einmal geruchlos. Knapp einen Liter scheidet der Mensch an Tagen ohne körperliche Anstrengungen aus. Fußballer können bis zu fünf Liter pro Spiel auf dem Platz lassen. Dieser Schweiß besteht zum allergrößten Teil aus Wasser. Seine genaue Zusammensetzung hängt von der Gesundheit und der Ernährung ab. Erst die Ausscheidungen von Bakterien, die sich an ihm laben, führen zum typischen und als unangenehm empfundenen Schweißgeruch. Hier versprechen zahllose Produkte Abhilfe.

Zwei Klassen gibt es dabei zu unterscheiden: Da sind zum einen Deodorants – lateinisch für „Entriecher“. Sie töten die Bakterien, die für den Schweißgeruch verantwortlich sind. Dagegen setzen Antitranspirante eine Stufe früher an. Übersetzt bedeutet der Begriff „gegen Ausdünsten“. Antitranspirante wirken, indem sie die Schweißdrüsen verschließen, damit diese erst gar nichts ausscheiden können.

Die meisten Produkte gegen Schweiß bedienen sich aber beider Mechanismen. Außerdem enthalten die meisten noch Duftstoffe.

Der gängigste Inhaltsstoff auf dem Markt ist derzeit Aluminiumchlorid. „Auch bei starkem Schwitzen ist es das erste Mittel der Wahl“, sagt Michael Sormes von der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Hamburger Universitätsklinikum (UKE). Da die meisten Produkte das Natrium-Salz enthalten, unterscheidet sich deren schweißverhindernde Wirkung nicht auffallend. Bei einigen Menschen jedoch reagiert die Haut auf Aluminiumchlorid gereizt – je nachdem, welches Deo sie benutzt haben.Um einen individuellen Verträglichkeitstest im Selbstversuch kommt der Kunde also nicht herum.

Eine völlige Schweißfreiheit bewirkt kein Deodorant. Allerdings können nur geübte Schweiß-Spürnasen den unterliegenden Geruch noch als solchen identifizieren. Sogenannte „Sniffer“ haben für Stiftung Warentest Deodorants auf ihre Wirksamkeit getestet und auch noch 24 Stunden nach der Anwendung eine spürbare Wirkung nachgewiesen.

Mit Botox gegen Schweiß

Ob ein Deo allerdings gleich 48 Stunden wirken muss, wie die Werbung es gerne verspricht, ist fraglich. In der Zwischenzeit schläft der Normalverbraucher zwei Mal und reinigt sich mindestens ebenso oft an den relevanten Stellen.

Ernst wird es jedoch, wenn aus dem Schwitzen eine psychische Belastung entsteht. Der Fachbegriff für krankhaftes Schwitzen ist Hyperhidrose. Dazu zählt beispielsweise das weit verbreitete Phänomen der „feuchten Hände“. Für die Betroffenen ist diese Krankheit im Umgang mit anderen Menschen extrem belastend. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Therapiemöglichkeiten. So kann das übermäßige Schwitzen mit hochkonzentriertem Natriumchlorid bekämpft werden. Sollte aber selbst das nicht helfen, bleibt immer noch, die Schweißdrüsen operativ zu entfernen.

In die Dermatologie-Klinik von Michael Sormes kommen vor allem besorgte Jugendliche. „Die beruhigen wir erst einmal und erklären, dass Schwitzen normal ist“, sagt der Stationsarzt. Ob es sich um eine Krankheit handelt, zeige ein einfacher Test, bei dem der Schweiß mittels Löschpapier aufgefangen und anschließend gewogen wird. Dermatologen unterscheiden drei Stärkegrade. Die dritte Stufe bedeutet dabei: Ständig abtropfender Schweiß.

Kritisch sehen Hautexperten einen aktuellen Trend aus den USA. Dort versuchen Models, mit Botox ihre Schweißdrüsen auszuschalten. Diese kosmetische Vergiftung muss zweimal im Jahr aufgefrischt werden, ist schmerzhaft und teuer. Eine Überhitzung droht allerdings nicht. Wie auch bei einem normalen Antitranspirant werden nur die Schweißdrüsen der Achsel blockiert. Der Körper hat also noch genug Fläche, um sich abzukühlen.

Neben seinen oft als negativ empfundenen Eigenschaften hat der Schweiß aber natürlich eine wichtige Körperfunktion. Er kümmert sich nämlich nicht nur sehr effizient und meist zuverlässig um eine angenehme Betriebstemperatur, sondern sorgt auch noch für geschmeidige Haut. Außerdem ist er verantwortlich für den individuellen Körpergeruch, der bestimmt, ob wir einen Menschen anziehend finden oder nicht.