Essenskauf nach Punkten

Asylbewerber in Bocholt können ihr Essen nicht mit Geld erwerben, sondern zweimal in der Woche über eine Punktekarte. Nach Ansicht des Flüchtlingsrates NRW ist dies unmenschlich

VON KATHARINA HEIMEIER

Die Ratssitzung in Bocholt sollte zu einer menschlicheren Behandlung der Asylbewerber führen. Was jedoch am Ende herauskam, war nur ein weiterer „Akt der Ausgrenzung“, beklagten Kirchenvertreter. Eine Mehrheit von CDU und FDP stimmte gegen die Auszahlung von Geld an Asylbewerber. Statt der nach Ansicht des Ausländerbeirats unmenschlichen Essenspakete sollen die 150 Asylbewerber in Bocholt nun Punktekarten bekommen. Damit sollen sie in einem kleinen Shop einkaufen, der zwei Mal in der Woche öffnet. Vom Gesetz her sei dies nicht anders möglich, sagen die Befürworter. Die Ausgabe so genannter „Sachleistungen“ wie Lebensmittel und Hygieneartikel an Asylbewerber sei vorgeschrieben.

Die stellvertretende Bürgermeisterin Bocholts, Ilse Tekampe (SPD), stimmte gegen die Shop-Lösung. „Es kann doch nicht sein, dass es überall anders geht, nur nicht bei uns“, sagt sie. Die CDU habe sogar zur Untermauerung ihrer ablehnenden Haltung ein Schreiben des Landrates angeführt, das Bocholt zur Einhaltung des Sachleistungsprinzips aufrufe. „Man hat uns außerdem gesagt, dass der Bürgermeister eine Entscheidung für Geldleistungen beanstanden müsste.“

Geld oder Naturalien für Asylbewerber? In den nordrhein-westfälischen Kommunen wird diese Frage sehr unterschiedlich beantwortet. Nach Ansicht des Flüchtlingsrates sind die Entscheidungen der Kommunen davon abhängig, wie sie das Gesetz lesen. „Laut Gesetz kann man den Asylbewerbern Geld auszahlen. Das wäre sehr viel menschlicher“, sagt Jürgen König vom Flüchtlingsrat NRW. Letztlich liegt es im Ermessen der Kommunen, wie sie das Gesetz auslegen. Das Innenministerium hat die Ausführung den Städten überlassen. Daher liegt nach Angaben des Ministeriums auch kein Überblick über das Vorgehen der Städte vor.

In Bocholt will man mit der Einführung des Shops keine Verbesserung für die Asylbewerber erzielen. „Ob das System Vorteile hat, weiß ich nicht“, sagt Sozialamtsleiter Bernd Hackmeier. In dem Shop gäbe es dieselben Dinge zu kaufen, die in den Paketen steckten.

Die hartnäckige Ablehnung der Geldleistungen von Seiten der CDU liegt nach Einschätzung von SPD-Politikerin Tekampe in einem Fall aus den 90er Jahren begründet, als Bocholt noch mehr als 2.000 Asylbewerber hatte. Damals habe ein Asylbewerber die Leistungen missbraucht . Zu leiden hatte seine Familie. Dem Mann war das Geld ausgezahlt worden, er hatte es aber nicht an seine Familie weiter gegeben. Für Tekampe ist das ein Einzelfall. „Ganz unterschiedliche Menschen suchen hier Asyl“, sagt sie.

Auch König vom Flüchtlingsrat versteht die Entscheidung Bocholts für die Shop-Lösung nicht. „Dieses umstrittene System ist in den meisten Städten abgeschafft worden, weil es zu überteuerten Gummipunkten schlechte Qualität gibt.“ Eine Erfahrung, die beispielsweise die ostwestfälische Stadt Oelde dazu brachte, auf ein Chipkarten-System umzustellen. Damit können Asylbewerber wie andere Einwohner der Stadt in normalen Geschäften einkaufen. (siehe unten)

Andere Bundesländer wie Bayern oder Brandenburg setzen nach Gerichtsurteilen inzwischen verstärkt auf Sachleistungen. So hat die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam ihre bisherige Praxis, Bargeld auszuzahlen, auf Druck der Landesregierung geändert. Geld darf jetzt nur noch in Ausnahmefällen ausgegeben werden. In Bayern hat die Stadtverwaltung Rückendeckung für ihre Entscheidung bekommen, an Asylbewerber Sachleistungen zu geben. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte dieses Vorgehen.