Schönheitschirurg lässt Senat alt aussehen

Bei der Versteigerung des DDR-Rundfunkgeländes an der Nalepastraße entgehen der öffentlichen Hand knapp fünf Millionen Euro. Der neue Besitzer, ein Arzt, will sich in zwei Wochen zu seinen Plänen äußern. 140 Mieter bangen um ihre Zukunft

VON ERIK HEIER

Eigentlich müsste man in den Finanzbehörden in Berlin, Magdeburg und Schwerin jetzt beschämt unter den Schreibtischen kauern. Erst im November hatten die fünf neuen Bundesländer und Berlin das 13 Hektar große ehemalige DDR-Rundfunkzentrum an der Nalepastraße an den Baumaschinenverleih Bau und Praktik GmbH aus Sachsen-Anhalt verkauft – für 350.000 Euro. Am Sonnabend ließ dieser den denkmalgeschützten Teil des Areals in Köpenick, unter anderem den weltweit gerühmten großen Sendesaal, versteigern – für 4,75 Millionen Euro. Neuer Eigentümer ist ein Schönheitschirurg.

Während sich somit Spekulanten eine goldene Nase verdienten, bleibt Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und seinen Länderkollegen eine blutige. Nach der Versteigerung kritisierte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, das „Versagen des Senats“ und sprach von einem „Beispiel dafür, wie mit Rot-Rot der Medienstandort Berlin vor die Hunde geht“. Dem Land sei ein Millionenschaden entstanden.

Das sehen die Mieter auf dem Gelände ähnlich. Tonstudiobetreiber Volker Schneider sagt: „Sarrazin und seine Kollegen müssen sich fragen lassen, warum sie nicht in der Lage waren, das Geschäft selbst zu machen.“ Aus der Berliner Finanzverwaltung hieß es dazu gestern: „Kein Kommentar.“

Seit Jahren hatte das Rundfunkgelände den neuen Ländern und Berlin, die es Anfang der 90er-Jahre übernahmen, vor allem herbe Verluste eingebracht. Der Berliner Senat beantwortete den Vorwurf, sich allzu wenig um einen Investor bemüht zu haben, stets mit einem Verweis auf seinen lediglich 8,5-prozentigen Anteil. Die neuen Bundesländer wollten den Verlustbringer abstoßen. Berlins Proteste dagegen kamen spät und zaghaft.

Kurz nach dem Verkauf teilte der neue Besitzer das Gelände in drei Gebiete. Zwei davon, darunter das nun versteigerte Funkhaus, wurden an Geschäftsfreunde weitergereicht. Dies war der Bau und Praktik GmbH durch einen schlampigen Kaufvertrag leicht gemacht worden. Ihn hat die Liegenschaftsverwaltung Sachsen-Anhalt (Limsa) zu verantworten. Sie war von den neuen Ländern mit dem Verkauf des Geländes beauftragt worden. Der Vertrag sah zum Beispiel keine Spekulationsfristen vor, um schnelle Weiterverkäufe zu verhindern. Inzwischen musste Limsa-Chef Hans-Erich Gerst gehen.

Im überfüllten und überhitzten Meistersaal erlebten die Vertreter der Bau und Praktik GmbH und der von ihr als Verwalterin eingesetzten Berliner Firma Go East Invest SE einen rasanten Bieterkrimi. Das Mindestgebot von 300.000 Euro war schon vor Beginn Makulatur. Sieben Bieter hatten ihr Interesse angemeldet, einer mit 1,5 Millionen Euro.

Auktionator Mark Karhausen hatte die Auflage betont, dass das Areal als Medienstandort zu erhalten sei. Zudem verwies er mehrfach auf den zweistelligen Millionenbetrag, der unter anderem in die marode Haustechnik investiert werden müsse: „Ich möchte nicht, dass jemand den Kaufpreis hat und dann nichts mehr für Investitionen.“ Erst jenseits der Drei-Millionen-Euro-Grenze stieg überraschend ein Mann im blauen Hemd in der ersten Reihe ein: Mustafa Mahjoub, Arzt für Gefäßchirurgie, orthopädische Therapie und Schönheitschirurgie mit Praxis in der Joachimsthaler Straße. Der Mann syrischer Abstammung machte das Rennen. Vorher angesehen hat er sich sein Kaufobjekt nicht. Freundlich, aber wortkarg, teilte Mahjoub nach der Versteigerung ein paar Visitenkarten aus und kündigte an, sich in 14 Tagen zu seinen Absichten zu äußern. Damit hat die Nalepastraße nun nach einem Baumaschinenverleih erneut einen Besitzer, der bislang nicht durch Medienkompetenz aufgefallen ist. Für die rund 140 Mieter auf dem Gelände ist die Sorge um ihre Zukunft nach den vergangenen acht chaotischen Monaten durch die Versteigerung längst nicht erledigt.