8. Berlin Biennale

AUFTAKT Juan Gaitán stellt das neue Crashpad vor

Bunte Teppiche auf dem Boden und an den Wänden, gemütliche Polster auf Sitzgruppen, überall liegen Bücher und Zeitschriften herum. Wer in diesen Tagen das Appartement im ersten Stock der Berliner KunstWerke (KW) betritt, staunt nicht schlecht. Wo bislang ein nüchternes Büro residierte, lädt eine Flauschecke zum Abhängen, Plaudern und Kaffeetrinken ein – eine Mischung aus Diskurs-Jurte, Secondhand-Basar und Art-House-Coffeeshop. Setzt die 8. Berlin Biennale, die Ende Mai ihre Pforten öffnet, also auf eine Wohlfühl-Lounge für Clubgänger?

Mit einer Comfort-Zone im Wellness-Hotel sollte man nicht verwechseln, was Zmijewskis Nachfolger, der kanadisch-kolumbianische Kurator Juan Gaitán, als erstes Werk seiner Biennale in den KW einrichten ließ. Auch wenn er bei der restlos überfüllten Einweihung vergangenen Samstag nicht müde wurde zu betonen, hier solle es „comfortable“ und „cozy“ zugehen. Was der griechischstämmige Künstler Andreas Angelidakis, der Schöpfer des romantischen Rückzugsortes, Crashpad nennt, dient zwar auch dazu, gefährliche Klettersportarten skelettschonend abzufedern, ist aber, woran Angelidakis in dem kleinen, lockeren Talk mit Gaitán erinnerte, auch der Name für den Schutzschirm, den europäische Gläubiger Ende 1893 schon einmal über Hellas aufspannten, um das europäische Kernland vor dem Staatsbankrott zu sichern. Ganz ohne Bezüge zur aktuellen Politik wird also auch diese Biennale nicht auskommen.

Wobei der Biennale-Diskurs wohl nicht nur in die große, weite Welt ausgreifen soll. Denn die Nachbildungen griechischer Säulen aus weißem Styropor, die den immer am Wochenende geöffneten Crashpad komplettieren, spielen nicht nur auf das griechische Drama an, sondern auch auf das, was Gaitán „image politics“ nennt, also die nicht nur in Berlin weit verbreitete Neigung, mit Bildern hochmögender Architektur einen Lookalike-Eindruck zu schinden, dessen Substanz sich bei näherer Betrachtung verflüchtigt.

Dass der Kurator mit seiner Biennale die derzeit abgehängten Museen in Dahlem und das Haus am Waldsee bespielen will, könnte das mitte(lstands)süchtige Kunst-Berlin mit einem überfälligen Perspektivwechsel herausfordern: Hin zur Peripherie! Bleibt zu hoffen, dass der sympathisch unprätentiöse Gaitán dort dann auch so gute Kunst zeigt, dass der Vorwurf der Substanzlosigkeit nicht am Ende auf seine Schau zurückfällt. Für die die „wohnliche Ruine“ (Gaitán) in Mitte nur die heimelige Fassade abgibt. INGO AREND