Ortstermin: Jan Delay spielt am Strand von St. Peter-Ording
: Ein Hauch von Public Viewing

Die Zuschauer müssen sich vom Star auf der Bühne mit stoischen Friesen aus der Flensburger-Werbung vergleichen lassen

Kilometerlang schlängelt sich die Kolonne im Schritttempo durch das ländliche Eiderstedt. Viel neue Golfklasse, dazwischen das gelegentliche Familienauto. In, um und auf den Karossen demonstrieren Twentysomethings, aber mehr noch späte Teenager akutes Partyfieber. Ein Hauch von Public Viewing liegt in der Luft.

Der Strandparkplatz ist in der Hand von sichtlich entspannten Kombi-, Bully- und Wohnmobilfahrern. Party und Musik sind eher Nebensache, man ist wegen des Palmolive Kitesurf Worldcups da, und die aufgeblähten Drachen der Surfer bevölkern das Wasser.

Seit sieben Uhr bereits läuft auf der Strandbühne die Partymaschine, und stetig voller wird es davor. Die mächtigen Bühnenaufbauten schützen die Fans vor dem scharfen Wind, Kuhlage & Friends und später jemand namens Bosse unplugged musizieren. In den Umbaupausen folgt Unterhaltung nach Art der Jugendwelle N-Joy: Comedy-Szenen auf der Großleinwand und spontane Knutschpflicht für Pärchen, die dann wiederum die Live-Kamera einfängt.

Im Zuschauergewühl mischen sich die Welten: Noch nicht oder erst seit kurzem volljährig die einen, den Nachwuchs schon an der Hand oder auf dem Arm die anderen. Dazwischen – natürlich – Surfer, Festivalprofis, bunte Eintrittsbändchen wie Trophäen um die Handgelenke gebunden, und so mancher ganz normale Nordsee-Urlauber. Vereinzelt laufen U 20-Fans als Jan-Delay-Verschnitt durch die Menge: mit Hut und Sakko. Nach den Delay-Fans von früher, muss man an diesem Abend suchen.

Gegen halb zehn, vor der Bühne hüpfen sie schon ein bisschen, treten Jan Delay und seine Band Disco No. 1 endlich auf: Die Chorgirls tragen silbrig glänzende Kleider, die Nebelmaschine ackert. Der vielleicht einzige Konsens-Popstar seiner Generation spielt den ersten Hit, fordert mehr Stimmung vom Publikum, legt nach. Hin und her läuft er auf der Bühne, die Kamera immer hinterher. Seine Musik hat ihren eigenen Charme, der Groove geht in die Beine.

Immer wieder will Delay seine Zuhörer singen hören, ausgelassen tanzen sehen. Weil ihm einige offenbar zu wenig mitgehen, müssen die Zuschauer sich gefallen lassen, vom Star des Abends mit den stoische Friesen aus der Flensburger-Pils-Werbung verglichen zu werden. Der abendliche Strand von St. Peter-Ording ist eben keine Discohölle. Aber vielleicht transportiert die Großleinwand-Übertragung die Partybotschaft des Hamburger Hutträgers auch nicht zwingend genug in die hinteren Reihen – dort wo das musikalische Geschehen auch zunehmend mit einer eindrucksvollen Wolkenlandschaft und dem weiten Strand konkurrieren muss.

Noch während Delay die ersten Reihen begeistert, sind die Holzstege ins Dorf Ording voll von Menschen: Familien, Urlauber, Pärchen, die den Abend lieber ruhiger ausklingen lassen. Der Held des Abends entlässt sein Publikum nach einer knappen Stunde, knapp 43.000 sollen es gewesen sein, schätzt N-Joy Radio. FLORIAN GERLACH