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: ALEXANDER FLORIÉ über dreiste Metallräuber auf Friedhöfen im Kreis Wesel

Kai Stockrahm ist stinksauer. Der Moerser Friedhofsgärtner pflegt viele der Gräber auf dem Hauptfriedhof im Stadtteil Hülsdonk. In den letzten Tagen sieht er immer häufiger beschädigte Gräber. „Vorletzte Woche fing es an, als ich vor einem Grabstein stand und dachte: Da fehlt was.“ In der Mitte des Grabes hatte zuvor ein Bronzekreuz gestanden, das jemand fachmännisch abgebaut hatte: „Da waren nur noch Gewindestangen im Boden.“ Zuerst dachte Stockrahm, Angehörige hätten das Kreuz mitgenommen. Doch ein Anruf bei einem Moerser Steinmetz brachte es an den Tag: „Der sagte mir, das Kreuz sei gestohlen worden – und das sei kein Einzelfall.“

In der Tat: Eine Gruppe von Friedhofsdieben treibt derzeit am linken Niederrhein ihr Unwesen: „Wir haben festgestellt, dass es in den letzten Wochen zu Diebstählen an Friedhöfen in Moers, Alpen, Rheinberg und Neukirchen gekommen ist“, bestätigt Jürgen Müller von der Kreispolizei in Wesel. Insgesamt haben die Behörden rund 100 Fälle von Diebstahl, versuchtem Diebstahl und Sachbeschädigung festgestellt: „Man kann da schon von einem systematischen Vorgehen sprechen“, so Müller.

Die Beute der Täter: wertvoller Grabschmuck – Vasen, Grableuchten und andere Dinge aus Metall. „Sie haben sogar Messingtafeln, die auf Metall geschraubt waren, fachmännisch abmontiert“, zürnt Friedhofsgärtner Stockrahm.

Dahinter steckt natürlich: das Geld. „Der Preis für Edelmetalle auf dem Markt hat sich radikal erhöht“, so Müller von der Kreispolizei Wesel. Allein für Kupfer erhält man mittlerweile vier Euro das Kilo, früher war es maximal die Hälfte. „Grabräubertum in neuer Dimension“, meint Stockrahm dazu. „Da muss schon eine Logistik dahinter stecken, die haben sich die Dinger genau vorher angesehen.“ Betroffen sind nicht nur Friedhöfe: Auch Schrotthändler und Metall verarbeitende Betriebe im Kreis Wesel klagen über dreiste Beutezüge.

„Nachts klauen sie mir die Kupferreste aus dem Container, schleppen das durch den Wald über Bahnschienen bis zur Straße. Das sind keine Amateure“, erzählt der Dinslakener Schrotthändler Markus Droste. „Die fahren sogar die kleinsten Schrebergärten mit Anhänger und Lastwagen an und sagen: ‚Ich komme von der Firma Droste zum Abholen‘.“

Zuletzt hätten die Unbekannten sogar Schrott per Kran aus den Containern entwendet: „ Der Abdruck vom Stützfuß ist auf der anderen Zaunseite der Anlage zu sehen.“ Ähnliches berichtet der Betriebsleiter der Firma Flott, Klaus Scheer: „Die haben nachts aus dem Keller Kupfermetalle und Kabel gestohlen worden.“ Viele fragten an, ob die Firma Metall übrig habe: „Kaufen zum kleinen Preis und dann für großes Geld nach Asien verkaufen, weil die Preise explodiert sind“ – das ist die Strategie, meint Scheer.

Die Polizei hat in Sachen Friedhöfe jetzt eine Ermittlungskommission eingesetzt, um dem Treiben ein Ende zu machen. Außerdem wird vermehrt Streife gefahren. Friedhofsgärtner Stockrahm hofft, dass das hilft:“ Weil das auch für die Angehörigen eine harte Sache ist.“