„NRW hat ein sehr unflexibles Gesetz“

Eltern wollen einen Kitaplatz auf mehrere Kinder aufteilen. Bildungsforscherin Karin Esch über effektive Betreuung

taz: Frau Esch, die meisten Unter-Dreijährigen in NRW werden von ihren Eltern betreut: Im bundesweiten Vergleich ist das Land damit Schlusslicht – ohne Besserungstendenzen. Woran liegt das?Karin Esch: NRW hat zur Zeit ein sehr unflexibles Gesetz. Die Eltern im Land wollen ihre Kinder sehr gerne institutionell betreuen lassen – das ist ja auch politisch erwünscht. Beim anderen Schlusslicht der Studie, Bayern, verbessert sich die Situation gerade, weil das Land ein neues Finanzierungskonzept entwickelt hat. Die Träger können jetzt stundenweise Betreuung anbieten und abrechnen und kommen damit auch den Wünschen der Eltern entgegen.

Was wünschen die Eltern?

Betreuung für drei bis fünf Stunden am Tag, auch nicht unbedingt an jedem Arbeitstag in der Woche. Die meisten Eltern in NRW wollen keine Ganztagsbetreuung für ihre Kleinkinder, weil sie auch sehr gerne Teilzeit arbeiten wollen.

Warum klappt das nicht?

Für Unter-Dreijährige sind gesetzlich immer Ganztagsplätze vorgesehen. Weil die Träger das nur so abrechnen können, bieten sie den Eltern starre Zeiten an. Dass Eltern sich die Plätze teilen, ist nicht vorgesehen. Dabei würde das auch die Zahl der Plätze erhöhen – ohne dass sie dem Staat mehr kosten. Wenn Eltern derzeit einen der knappen Plätze ergattern, könnten sie ihre Kinder natürlich nur für zwei Tage in die Kita bringen oder nach drei Stunden wieder abholen. Sie müssten dann den ganzen Tag bezahlen. So kommt es, dass in NRW viele Kinder von ihren Großeltern betreut werden – obwohl die Eltern lieber einen Kitaplatz hätten. Oder dass eben nur ein Elternteil arbeiten geht.

Im Ruhrgebiet ist auch die Anzahl nicht-berufstätiger Frauen einmalig hoch. Wirkt das Betreuungsgesetz als Modernisierungsbremse?

Das liegt im Ruhrgebiet auch an der Arbeitsmarktstruktur. Förderlich ist der gesetzliche Mangel an Flexibilität aber bestimmt nicht. Nordrhein-Westfalen geht bei der Kinderbetreuung aber inzwischen in die richtige Richtung. Wenn wie angekündigt flächendeckend Familienzentren entstehen, bekommen Eltern von Unter-Dreijährigen durch die eingebundenen Tagesmütter flexiblere Betreuungsangebote. Das hat auch den Vorteil, dass der graue Markt der Tagesmütter durchsichtiger wird.

Wie viele Betreuungsplätze haben wir in zehn Jahren?

Deutlich mehr und vor allem flexiblere. Dafür sind Eltern auch bereit, zu bezahlen.

INTERVIEW: MIRIAM BUNJES