EU dreht Gifthahn zu

Flüsse in NRW sind weiterhin mit schädlichen Tensiden belastet. Nun will die EU der Industrie verbieten, diese Chemikalien einzusetzen. Landesregierung und Wissenschaftler begrüßen Pläne

VON STEPHAN GROßE
UND GESA SCHÖLGENS

Sauerländische Behörden entdecken auf immer mehr Feldern giftige perfluorierte Tenside (PFT). Die schädlichen Stoffe gelangten auch in die Flüsse Ruhr und Möhne. Der Brüsseler Umweltausschuss hatte vergangene Woche ein EU-weites Verbot der Chemikalien beschlossen. Folgen Parlament und Ministerrat dem Votum, müssen PFT weitgehend aus der Produktion verschwinden. In großen Mengen sind PFT für Tiere krebserregend und erbgutschädigend. Sie stecken etwa in wasserabweisender Kleidung und Reinigungsmitteln.

Nach wie vor gibt es Spuren von PFT in Ruhr und Möhne. Im Sauerland gelangten die Chemikalien auch ins Trinkwasser. Die betroffene Stadt Arnsberg verteilt in einigen Stadtteilen weiterhin kostenloses Mineralwasser an Schwangere und Säuglinge. Seit vergangenen Freitag versuchen Mitarbeiter des Wasserwerkes, das Trinkwasser mit Aktivkohlefiltern zu reinigen. „Es gibt allerdings noch keine Erfahrungen, ob das in der Praxis funktioniert“, sagt Ulrich Midderhoff, Geschäftsführer der Stadtwerke Arnsberg. An diesem Donnerstag sollen die ersten Ergebnisse vorliegen.

Ein Verbot könne solche Probleme vermeiden, sagt Peter Liese (CDU), EU-Abgeordneter aus Südwestfalen. „Es setzt an der Quelle an, schützt die Verbraucher und gibt Rechtssicherheit“. Kommunen und Steuerzahler sollten nicht für eine Verschmutzung der Flüsse mit PFT aufkommen müssen. „Der Verursacher muss dafür haften“, fordert Liese. Auch die Landesregierung ist für ein Verbot. „Nur so gelingt es uns, gefährliche Stoffe auf Dauer aus der Umwelt fernzuhalten und aufwändige Reparaturmaßnahmen, wie sie jetzt an Ruhr und Möhne erfolgen, überflüssig zu machen“, sagt Staatssekretär Alexander Schink (CDU).

Auch Wissenschaftler schließen sich an. „Ein Verbot von PFT würde ich begrüßen, da die Substanzen schlecht bis gar nicht abbaubar sind“, sagt Harald Färber vom Bonner Hygiene-Institut. Färber war im Frühjahr auf die zu hohen Konzentrationen der umstrittenen Tenside an der Ruhrmündung gestoßen.

Für die Reinigung des Trinkwassers zahlt allein die Stadt Arnsberg rund 150.000 Euro. „Wir werden versuchen, Schadenersatzansprüche geltend zu machen“, sagt Midderhoff. Gegen wen, ist noch unklar. Allerdings habe sich der Verdacht erhärtet, dass Biodünger Schuld an der Verschmutzung ist, sagte gestern ein Sprecher des Hochsauerlandkreises. Der Dünger der Firma GW Umwelt aus Borchen war in der Region auf gut 1.200 Hektar aufgetragen worden. Zwar wurden in Proben des Düngers keine Tenside gefunden. Allerdings muss dieser nicht mit dem Kompost identisch sein, der auf den Feldern landete. Auch außerhalb des Möhnegebiets seien Äcker belastet, wenn auch nur gering, so der Kreissprecher. Untersucht wurden zunächst 14 von 50 gedüngten Flächen im Ruhr-, Nierbach- und Elpetal.