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Immer in die Fresse

Zum Tod des Hard-Boiled-Krimi-Autors und Mike-Hammer-Erfinders Mickey Spillane

Schaut man sich an, was Mickey Spillane im Lauf seines Lebens so getrieben hat, beruflich und aus reinem Zeitvertreib, kommt man leicht auf den Gedanken, dass hier einer viel tollen Romanstoff gehabt hätte: Spillane, 1918 in Brooklyn, New York, geboren, war Verkäufer, Werbetexter und im Zweiten Weltkrieg Fluglehrer für Kampfflieger, später, als er zu Geld gekommen war, arbeitete er just for fun als Trampolinspringer, Autorennfahrer und Schauspieler.

Mit dem Schreiben begann Spillane in erster Linie, weil er Geld brauchte, und da versprach er sich allein mit Krimis Erfolg. 1946 schrieb er in nur wenigen Tagen seinen ersten Mike-Hammer-Krimi, „I, the Jury“. Er wurde von mehreren Verlagen als zu schmutzig abgelehnt, erschien dann 1947 doch, erhielt aber nur wenig Beachtung. Unverdrossen hielt Spillane an seinem Ermittler Mike Hammer fest, und in der Folgezeit erschrieb er sich in den USA Millionenauflagen. Der Erfolg war ein zweischneidiger: Das Publikum liebte die Bücher mit Mike Hammer, diesem unverbesserlichen Brutalo, Chauvi, Rassisten und Schwulenfresser; die Kritik lehnte sie aus genau diesen Gründen ab, was Spillane zumindest nach außen hin nicht störte: „Wenn das Publikum dich mag, bist du gut.“

Tatsächlich hat Hammer wenig gemein mit den melancholischen Privat-Eye-Detektiven Sam Spade und Philip Marlowe, in deren Reihe er gern mal gestellt wurde, schon eher mit einem seiner Nachfolger, dem LAPD-Mann Lloyd Hopkins aus den frühen Romanen James Ellroys. Verzweifeln Spade und Marlowe andauernd an der Schlechtigkeit der Welt, sind sie hochmoralische Einzelgänger, so ist Mike Hammer ein relativ ungebrochener Typ, der die täglich ihn umgebende Gewalt akzeptiert und mit doppelter Münze heimzahlt: „Ich werde dem Killer einen Schuss in die Gedärme verpassen. Und wenn er sich dann sterbend am Fußboden wälzt, werde ich ihm die Fresse eintreten“, schwört Hammer zu Beginn von „Ich, der Richter“, als er vor der Leiche seines Freundes Jack steht. Mit diesem hatte er im Krieg gegen die „elenden Japsen“ zwei Jahre „in den stinkenden Schlammlöchern des Dschungels gelegen“.

Spillane betonte seinen Kritikern gegenüber gern, insbesondere für die Veteranen des Zweiten Weltkriegs zu schreiben, was er später tatkräftig verstärkte: In den Sechzigerjahren schrieb er vier Romane, dessen Hauptfigur, der Geheimdienstsöldner „Tiger Man“, ein noch unangenehmerer Charakter als Hammer war. Doch Hammer hin, Tiger Man her: Spillane verfasste auch Jugendbücher und wurde dafür gar mit Preisen ausgezeichnet. Spillane starb am Montag nach langer Krankheit in seinem Haus an der Küste South Carolinas.

ALEXANDER LEOPOLD

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