Erste Reform – ein paar Rentengeschenke

ENTWURF Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat das erste Gesetzespaket der Großen Koalition vorgelegt. Was im Detail dahintersteckt

BERLIN taz | Das Kabinett hat am Mittwoch den Gesetzentwurf für die Rentenreform gebilligt. Die neuen Regelungen sollen zum 1. Juli 2014 in Kraft treten. Was soll sich ändern?

Ohne Abzüge mit 63 in Rente:

Wer 45 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen kann, darf künftig ohne Abzüge mit 63 in Rente gehen. Beitragsjahre sind: Zeiten abhängiger oder selbstständiger Tätigkeit, für die man Pflichtbeiträge in die Rentenkasse abgeführt hat; Pflege-, Wehr-, Zivildienst- und Krankengeldzeiten; Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes; Zeiten beruflicher Weiterbildung oder von Kurzarbeit; Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I, diese werden dabei unbegrenzt angerechnet.

Hat die Rentenkasse keine Daten über Arbeitslosigkeit mehr gespeichert, soll eine eidesstattliche Versicherung des Betroffenen ausreichen. Die 63er Grenze wird nach und nach wieder auf 65 Jahre angehoben. Wer 1964 oder später geboren ist, kann erst mit 65 Jahren (statt mit 67) ohne Abzüge in Rente gehen.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nannte die Regelung eine gerechte und solidarische Lösung für Menschen, „die jahrzehntelang malocht haben“. Eine neue Welle von Frühverrentungen – weil Beschäftigte mit 61 Jahren in die Arbeitslosigkeit gehen und dann mit 63 Jahren in Rente –, sieht die Ministerin nicht kommen. Beschäftigte hätten kein Interesse daran, vor der Rente freiwillig arbeitslos zu werden, weil sie dann viel Einkommen einbüßten.

Nahles will aber verhindern, dass Arbeitgeber Beschäftigte vorzeitig aus dem Betrieb drängen. Wie das gehen soll, ist noch unklar. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat vorgeschlagen, dass Unternehmen bei der Entlassung von langjährig Beschäftigten über 60 der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld und die Sozialversicherungsbeiträge erstatten müssen – und zwar maximal für 32 Monate. Eine solche Regelung galt schon einmal, bis zum Jahr 2006.

Mütterrente:

Mütter, die ihr Kind vor 1992 geboren haben, können sich künftig auf 28 (im Westen) bzw. 26 Euro (im Osten) mehr Rente im Monat freuen. Denn sie bekommen pro Kind künftig zwei „Entgeltpunkte“ gutgeschrieben, bislang gibt es dafür nur einen Punkt. Mütter, die ihr Kind nach 1992 bekommen haben, erhalten aber weiterhin drei Entgeltpunkte für jedes Kind.

Erwerbsminderungsrente:

Wer krank ist und früher in Rente muss, kann eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Die wird künftig so berechnet, als hätte man regulär bis 62 Jahre Beiträge entrichtet. Vorher lag die Grenze bei 60 Jahren. Das soll 40 Euro netto mehr Rente pro Monat bringen. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente liegt aktuell bei 600 Euro.

Mehr Geld für Reha:

Künftig darf die Rentenkasse mehr Geld aus ihrem Budget ausgeben, um Reha-Maßnahmen für erkrankte Beschäftigte zu fördern.

Was kostet das?

Alle Maßnahmen führen bis 2020 zu Mehrausgaben von 60 Milliarden Euro. Am teuersten ist die Mütterrente, die pro Jahr rund 6,7 Milliarden Euro mehr kostet. Dass diese versicherungsfremde Leistung nur aus der Rentenkasse finanziert werden soll, hat für Kritik gesorgt. Nahles betonte am Dienstag erneut, dass der Bund den Steuerzuschuss an die Rentenkasse ab 2019 deswegen um jährlich bis zu 2 Milliarden Euro erhöhen werde.

Welche Folgen hat es noch?

Die Rücklage der Rentenkasse, derzeit rund 31,5 Milliarden Euro, wird schneller abschmelzen als geplant. Deswegen muss auch der Rentenbeitragssatz, der derzeit bei 18,9 Prozent liegt, schneller steigen. Ab 2019 soll er nun 19,7 Prozent betragen. Ein weiterer Effekt: Das Rentenniveau sinkt stärker als bisher errechnet. Ein Durchschnittsverdiener wird nach 45 Beitragsjahren im Jahr 2030 nur noch eine Rente in Höhe von 43,7 Prozent des dann gültigen durchschnittlichen Nettolohns erhalten. Davon gehen aber noch Steuern ab. EVA VÖLPEL