nicht käuflich
: Der deutsche CO2-Patient

Seit Hitler hält sich der Deutsche ja per se für den Gutmenschen schlechthin. Bzw. seit Hitlers Tod, oder noch genauer: mit Einsetzen der Besatzung durch Alliierte. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Deutsche sich ja seit 1945 bei allem, was er tut, beobachtet fühlt. Der Deutsche ist so gut, dass diejenigen, die sich korrekt assimilieren wollen, Überkompensation betreiben müssen, um deutsch zu sein. Manchmal führt das zu komischen Sätzen wie „Weine nicht wenn der Regen fällt, es gibt einen der zu Dir hält.“

Manchmal tut Überkompensation aber auch richtig weh. Ein Beispiel, dass mir kürzlich durch die Medien aufgedrängt wurde, ist die Organisation „Atmosfair“. Sie macht sich politisch korrekt Gedanken darüber, wie wir als Deutsche uns um weltweit geringere CO2-Emissionen kümmern könnten. Die Organisation will Menschen helfen, die ein schlechtes Gewissen wegen ihrer vielen Urlaubsfliegerei plagt und ihnen ausrechnen, wie viel Kilo CO2 sie gerade unnütz in die Luft gejagt haben. Dann wird ihnen noch aufgeschlüsselt, wie teuer es ist, dieses CO2 in Entwicklungsländern einzusparen. Und schlussendlich, wenn der Deutsche CO2-Patient dann verarztet ist, wird sein an die Organisation gespendetes Geld von Atmosfair nach eigenen Angaben beispielsweise dazu verwendet, dass in Indien statt mit „Kerosin-Brennern“ zukünftig mit Solarküchen die Mahlzeiten in den Großküchen erhitzt werden können. So soll das durch die Bewohner des Erste-Welt-Staates Deutschland verjuxte CO2 also in Indien wieder eingespart werden. Quasi durchs Mittagessen.

Kann man nur hoffen, dass der Inder auch in Zukunft genug zu Essen hat. Aber so funktioniert das Gutmenschentum der Deutschen. Statt gegen etwas öffentlich Stellung zu beziehen (zum Beispiel mit einer Stingerrakete am Regionalflughafen) wird nur noch an anderer Stelle kompensiert und offensichtliches Fehlverhalten notdürftig repariert. Aber Atmosfair ist ja nicht die RAF. Atmosfair wedelt lieber mit einem Parabolspiegel durch Indien und lässt sich hier den Ablass dafür bezahlen. Dafür bekommt der Atmosfair-Kunde auch tolle Reisetipps. So wird beispielsweise dem Atmosfair-Kunden der Reiseunternehmer Gomera Trekking Tours empfohlen, der „Wander-, Trekking-, Familien- und Aktivreisen in 50 Länder zwischen Lappland und Südafrika, zwischen Nepal und der Karibik“ anbietet. Da muss eine indische Großküche lange für Kochen. Hoffentlich reicht der Reis.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will ja auch nicht, dass in Indien ständig das wertvolle Kerosin zum Kochen verwendet wird, wo man hier doch so schön damit fliegen kann. Das geht mit Solarenergie nämlich, so weit ich weiß, noch nicht. Zumal das Kerosin ja so schädlich in diesen Großküchen verbrennen und dort zu Gesundheitsschäden führen soll, wie die CO2-Quantitätsmanager von Atmosfair wissen.

Die ganze Sache hat nur einen klitzekleinen Nachteil. Scheint ein paar Tage lang die Sonne nicht, bleibt die indische Küche kalt. Also, liebe Köche, haltet euch an Deutscher: „Weine nicht, wenn der Regen fällt, es gibt einen der zu dir hält“. Kerosinbrenner raus und im Regen gekocht.

ELMAR KOK