WOHNUNGSVERKAUF: DIE DEFIZITE SOLL JEMAND ANDERS BEZAHLEN
: Freiburger Heuschrecken-Ängste

„Nachhaltigkeit“ ist ein schillernder Begriff – auch in der Kommunalpolitik. Einen erbitterten Streit um die korrekte Nachhaltigkeit erlebt gerade Freiburg im Breisgau. Dort wollen der grüne Oberbürgermeister und die schwarz-grüne Stadtratsmehrheit 8.900 kommunale Wohnungen verkaufen. Ihnen geht es um einen nachhaltig gesunden Haushalt. Jährlich fehlen 40 Millionen Euro; derzeit gibt die Stadt 26 Millionen nur für Kredite aus. Der Wohnungsverkauf soll die Stadt schuldenfrei und damit handlungsfähig machen. Und das Geld soll noch einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten – durch die Sanierung maroder Schulen.

Doch ein farblich schrilles Bündnis aus SPD, FDP, Freien Wählern und der Freiburger Initiative „Wohnen ist Menschenrecht“ begreift Nachhaltigkeit anders: Der Haushalt solle sonst wie saniert werden oder in Mieters Namen überschuldet bleiben. Denn nichts sei wichtiger, als dass die Kommune im teuren Freiburg auf Dauer günstiges Wohnen garantiere. Tun wir doch auch beim Verkauf, sagt Schwarz-Grün und hat eine „Sozialcharta“ gebastelt. Sie macht Mieterträume wahr: Luxussanierung ist verboten, ein Überschreiten der amtlichen Mietspiegel-Werte (rechtlich bis 20 Prozent möglich) auch. Wer alt oder behindert ist, erhält ein lebenslanges Wohnrecht. Und die Stadt kann jährlich hunderte privater Wohnungen an Arme oder andere Benachteiligte vergeben.

Doch den Leuten von „Wohnen ist Menschenrecht“ reicht nicht einmal das. Sie lassen ihre Heuschrecken-Transparente am Balkon und forcieren einen Bürgerentscheid. Nur städtisches Wohnen ist für sie soziales Wohnen. Da aber wird das vorgeblich Menschenfreundliche zum sturen Dogmatismus. Denn die Gleichung „Privat gleich Mietwucher oder Obdachlosigkeit“ ist beim deutschen Mietrecht Blödsinn. Und die Wohn-Menschenrechtler nehmen in Kauf, dass die Stadt immer tiefer ins Schuldenloch fällt, dass Schulen vergammeln und Straßenbahnen still stehen. Das ist kein bisschen nachhaltig – weder ökologisch noch sozial. ROLAND STIMPEL

Der Autor ist Fachjournalist für Wohnungsfragen