Liebedienerischer Winterspaß

OLYMPIA Um die Spiele von Sotschi zu feiern, baut Prag einen riesigen Schneepark auf. Russlandkritik ist unerwünscht in Tschechien – der Export soll keinen Schaden nehmen

Tschechien nutzt diese Olympischen Spiele, um Russland von seiner Loyalität zu überzeugen. Die Menschenrechtslage im Olympialand mag man nicht kritisieren

AUS PRAG ALEXANDRA MOSTYN

Wenn es in Prag einen öffentlichen Raum gibt, in dem man traditionell gen Osten katzbuckelt, dann ist es die Letná-Ebene. Die Stadtoase, die sich hoch über der Moldau gegenüber der Prager Altstadt entlangstreckt, sie muss immer mal wieder für die ein oder andere PR-Aktion herhalten. In den Zeiten der sogenannten Normalisierung der 1970er und 1980er Jahre fanden an dieser Stelle regimetreue Demonstrationen statt. Noch früher, zwischen 1955 und 1962 blickte von dort die größte Stalin-Statue der Welt auf Prag herab. Genau an dieser Stelle baut Tschechien jetzt ein – wenn auch nur temporäres – Denkmal für Wladimir Putin und seine Olympischen Winterspiele, die vom 7. bis zum 23. Februar im südrussischen Sotschi stattfinden.

Ein bisschen Sotschi will das Tschechische Olympische Komitee während dieser Zeit auch nach Prag holen. Wo einst Stalin stand, entsteht daher gerade ein olympischer Park mit 5.000 Quadratmetern Eisfläche, Langlaufloipe, Biathlon-Schießstand, Snow-Park, Curling-Bahn und zwei Spielfeldern für Eishockey. Für die, die lieber passiv Sport betreiben, werden 100 LED-Bildschirme aufgestellt, die live aus Sotschi übertragen.

Dass Sotschi schon Wochen vor Eröffnung der Olympischen Spiele in Prag angekommen ist, haben inzwischen alle Prager bemerkt, die die Letná gerne als zentrumsnahes Erholungsgebiet nutzen. Rund ein Drittel des Parks ist abgesperrt und wird von privaten Wachmännern scharf bewacht. „Überall sind Zäune und Schilder, die vor bissigen Hunden warnen“, ärgert sich Jiri, der gleich neben dem Park wohnt. „Als ich letzte Woche, wie üblich, mit dem Fahrrad durch den Prag zur Arbeit fahren wollte, sprang mir ein arroganter Wachmann in den Weg, der etwas von staatlichem Auftrag faselte und mir verbot, weiterzufahren“, ärgert er sich. „Die haben kein Recht, öffentlichen Raum zu privatisieren“, schimpft Jan, ein altgedienter Aktivist der Prager Grünen.

Auch die Umstände, unter denen der Olympiapark überhaupt entsteht, sind überaus dubios und erinnern an längst vergangen geglaubte Zeiten. Als die ersten Zäune aufgestellt und mit dem Bau des Parks begonnen wurde, hatte man eine kleine Sache übersehen oder vielleicht hinsichtlich der Geschichtsträchtigkeit des Projekts als nebensächlich erachtet: Auf der Letná-Ebene gilt ein absolutes Bauverbot. „Auf unserer Behörde wurde keine Baugenehmigung beantragt“, erklärte Jiri Chour, der Leiter des Bauamtes des Stadtteils Prag 7, unter dessen Zuständigkeit die Letná-Ebene fällt. Der Olympiapark, so Chour, könnte illegal sein.

Inzwischen hat sich der Magistrat eingeschaltet und ein beliebtes Mantra der globalen Amigo-Politik angewandt: Was nicht passt, wird passend gemacht. Der Olympiapark sei von Behördenkram wie Baugenehmigungen ausgenommen, weil er unter eine Ausnahmeregelung fällt, die für Zirkusse und Filmaufnahmen gilt, erklärten die Prager Stadtväter und verboten Chour, sich in dieser Sache noch weiter zu äußern. Kein Wunder: insgesamt 80 Millionen Kronen (knapp drei Millionen Euro) hat der tschechische Staat für den Olympiapark locker gemacht. Ein Prestigeprojekt, das man sich nicht wegen ein paar Formularen madig machen lässt.

Geht es doch um mehr, als die Prager auf den Sotschi-Ableger im Letná-Park zu locken. Tschechien nutzt diese Olympischen Spiele, um Russland von seiner Loyalität zu überzeugen. Sonst immer vorne mit dabei, wenn es um Menschenrechtsresolutionen geht, hat die tschechische Regierung sich geweigert, sich einem europäischen Aufruf anzuschließen, mit dem die Olympiamacher von Sotschi zur Einhaltung von Menschenrechten ohne Ansehen von Rasse, Hautfarbe oder sexueller Orientierung aufgefordert worden sind. „Für große Länder ist es leicht, Russland zu kritisieren“, meint ein Wirtschaftsexperte, der lieber anonym bleiben möchte. „Aber für unsere Wirtschaft, die absolut exportabhängig ist, ist Russland der wichtigste Markt außerhalb der EU. Wir können uns nicht erlauben, uns da Türen zu verschließen.“

Türen öffnen soll da jetzt der Olympiapark. Dort wird auch das tschechische Ministerium für Industrie-und Handel vertreten sein, um mit verschiedenen Veranstaltungen und einem VIP-Zelt für die tschechische Exportwirtschaft zu werben. Und jetzt ist auch endlich der ersehnte Schnee gefallen und hat den olympischen Businesszirkus weiß eingefärbt. Wenn die Skifahrer und Schlittschuhläufer erst einmal unterwegs sind, dann wird sich schon niemand mehr über nicht erteilte Baugenehmigungen oder nicht unterzeichnete Menschenrechtsresolutionen mokieren.