Der Versuch Sayn zu sein

Ein moderner Felix Krull räumte in Düsseldorf 100.000 Euro ab – Träume eines Hochstaplers enden vor Gericht

Bar zahlte er nie, sondern sprach nur seinen Namen: Fürst zu Sayn-Wittgenstein zu Berleburg. Sayn zu sein, reicht in Düsseldorf für vieles. Für Parties in Fünf-Sterne-Hotels mit Hummer, Kaviar und Jahrzehnte lang gekellertem Champagner. Oder für Jaguars und Mercedes S-Klassen. Er musste es nur sagen: „Mein Name ist Fürst Sayn-Wittgenstein zu Berleburg“, dann war NRWs Landeshauptstadt ihm untertan. „Eure Durchlaucht“ – so nannte ihn die Upper Class und klebte sein Konterfei ins Familienalbum.

Jörg D. ist gerade 21, geboren in Meppen, Schule abgebrochen, nach Berlin gegangen. Dort gab er sich Doktortitel, war mal Chirurg, mal Kriminalhauptkommissar. Auch in der Hauptstadt glaubten die Menschen ihm, liehen ihm Geld, chauffierten ihn mit dem Taxi zu seinen wichtigen Terminen.

Es lief gut für Jörg D. an der Spree, bis ihn die Polizei ihn dann doch erwischte. Wegen Urkundenfälschung auf Bewährung – eine schlechte berufliche Stellung für einen modernen Felix Krull. Statt schnöder Bewährungsauflagen lockte die schnieke nordrhein-westfälische Landeshauptstadt. Shoppen auf der Kö, Trüffel speisen mit Millionären. Fast 100.000 Euro verdiente der falsche Fürst hier in nur zwei Monaten: Handwerker renovierten seine Wohnung, Kaufleute schickten ihm Designermöbel, einen Plasma-Fernseher, Boss-Anzüge. Eine Taxifahrerin kutschierte ihn täglich durchs selbst gewählte Milieu – von den 3.000 Euro Taxigebühren sah sie keinen Cent. Seine Durchlaucht dinierte solange mit Frack in Fünf-Sterne-Hotels, bis sein Lebensstil ein Selbstläufer wurde. Dann luden ihn die Reichen von sich aus ein – eine Gelegenheit ihnen die Brieftasche zu klauen. Und sogar am Telefon ließ seine Autorität die Düsseldorfer erstarren. „Hier spricht der Vorstandsvorsitzende“, sagte er einer Düsseldorfer Bank. „Meine Neffe hat seine Kreditkarte verloren.“ Er bekam, ohne den Personalausweis zu zeigen, eine Kreditkarte.

Bis die Berline Kripo ihn einholte. Heute erzählt er vor dem Düsseldorfer Jugendschöffengericht eine Geschichte – vielleicht seine, bestimmt eine gute.MIRIAM BUNJES