Der doppelte Röttgen

Die CDU in Nordrhein-Westfalen stützt Norbert Röttgen. Dabei wird der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag Lobbyist der Industrie – will sein Mandat aber behalten

VON ANDREAS WYPUTTA

Nordrhein-Westfalens CDU steht weiter zu Norbert Röttgen. „Der Parteibasis ist ein eingeschränkter Abgeordneter Dr. Röttgen allemal lieber als gar kein Abgeordneter“, tönt Andreas Krautscheid, designierter NRW-Regierungssprecher und CDU-Vorsitzender in Röttgens Wahlkreis Rhein-Sieg. Die Christdemokraten seien sich allerdings der „Problematik“ der künftigen „Doppelrolle“ des promovierten Juristen „bewusst“. Röttgen, derzeit Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wird 2007 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Sein Bundestagsmandat will Röttgen dennoch bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode wahrnehmen – und erntet scharfe Kritik aus dem Unternehmerlager: „Spätestens zum Eintritt in den BDI“ müsse der Rheinländer auf seinen Sitz im Bundestag verzichten, schreiben die beiden ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel und Michael Rogowski an ihren Nachfolger, den amtierenden BDI-Chef Jürgen Thumann. Dem Lobbyisten Röttgen und dem CDU-Parlamentarier Röttgen drohe ein massiver Interessenkonflikt. „Wie kann zum Beispiel ein Bundestagsabgeordneter für ein Gesetz stimmen, welches der Hauptgeschäftsführer des BDI vorher abgelehnt hat“, fragen Henkel und Rogowski in einem in der Bild abgedruckten offenen Brief. „Wie kann er eine Entscheidung kritisieren, der er vorher im Bundestag zustimmte?“

Auch die Opposition im Bund reagiert verärgert. Die grüne Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin-Göring forderte Röttgen, der als einer der engsten Vertrauten von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt, zum Mandatsverzicht auf, ebenso FDP-Parteivize Rainer Brüderle. Selbst Bundespräsident Horst Köhler mahnte eine „saubere Trennung zwischen Parlament und Lobbytätigkeit“ an, nannte Röttgen allerdings nicht namentlich.

Auf Landesebene fordern Nordrhein-Westfalens Sozialdemokraten Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zum Handeln auf. Der CDU-Landesvorsitzende Rüttgers müsse Röttgen dazu bringen, seinen Sitz im Bundestag niederzulegen, so SPD-Generalsekretär Michael Groschek zur taz: „Mit seiner Ankündigung, nach Ende der Legislatur nicht wieder für den Bundestag kandidieren zu wollen, habe räumt Röttgen den klaren Interessenkonflikt doch ein.“ Arndt Klocke, Landesvorsitzender der Grünen, nennt Röttgen einen „Karrieristen, der sich entscheiden muss“. Um sich auf seine Aufgabe beim BDI vorzubereiten, müsse der Rechtsanwalt seinen Parlamentssitz „jetzt“ aufgeben. Finanzielle Motive sieht Klocke hingegen nicht – immerhin bringt jedes Jahr im Bundestag Röttgen eine höhere Altersversorgung ein, die zusätzlich eher ausgezahlt wird. Die Bundestagsdiäten von über 7.000 Euro monatlich seien „komfortabel“, glaubt Klocke.

Der CDU-Landesverband hält zu Röttgen. „Ob jemand sein Bundestagsmandat gut wahrnimmt oder nicht, das entscheiden nicht zwei ehemalige Industriebosse, sondern immer noch die Wähler“, so Generalsekretär Hendrik Wüst. Röttgen selbst äußerte sich nicht – nach Angaben der CDU-Bundestagsfraktion ist er „unerreichbar im Urlaub“.