„Rechte Kneipen müssten Pleite gehen“

Eine Kampagne gegen Neonazi-Strukturen muss erreichen, dass rechtes Gedankengut konsequent geächtet wird, sagt Rechtsextremismusexperte Henning Flad. Auch sollten demokratische Initiativen stärker als bisher gefördert werden

taz: Herr Flad, waren Sie schon einmal im Lichtenberger Weitlingkiez?

Henning Flad: Ja, und ich habe mich dort nicht unbedingt wohl gefühlt.

Woran lag das?

Das gesellschaftliche Klima dort ist immer noch ein anderes als in bestimmten Bezirken im Westen der Stadt. Es gibt substanzielle Unterschiede im Lebensgefühl und beim sozialen Klima. Dieser Unterschied begünstigt weiterhin Neonazis.

Gibt es eine Erklärung für diese gesellschaftliche Akzeptanz für rechtes Gedankengut?

Es gibt keine einfache Antwort darauf, aber grundsätzlich würde ich sagen, dass es sich um ein ostdeutsches Problem aufgrund der spezifischen Tradition von Autoritarismus handelt. Das zeigt sich unter anderem darin, dass in den neuen Bundesländern zu viele Menschen zu wenig Bereitschaft haben, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Stattdessen wird die Verantwortung zu häufig an staatliche Organe abgegeben. Aber sie kommen nur bedingt auf die Idee, dass sie auch selbst etwas unternehmen könnten.

Wie kann eine Strategie aussehen, um die rechte Hegemonie im Weitlingkiez zu durchbrechen?

Es ist schon viel gewonnen, wenn man sich erst einmal über die konkreten Ziele eines Engagements gegen rechts klar ist. Ziel muss es dabei sein, Rechtsextremismus konsequent sozial zu ächten. Das bedeutet beispielsweise, dass entsprechende rechte Kneipen im Kiez aufgrund mangelnder Kundschaft Pleite gehen müssten. Es ist ja nicht so, dass die Betreiber dieser Lokale Unbekannte wären, was die Zugehörigkeit zur rechten Szene angeht. Zudem müssen demokratische Initiativen im Bezirk gefördert werden.

Glauben Sie, dass die Kampagne „Hol Dir den Kiez zurück“ ein richtiger Ansatz ist?

Es ist ganz bestimmt positiv, wenn durch die Kampagne rechte Infrastruktur in Lichtenberg unter Druck kommt – denn die ist für das Weiterleben und die Weiterentwicklung der Szene Dreh- und Angelpunkt. Wenn es bestimmte Kneipen als rechte Treffpunkte nicht mehr gibt, kommen die Neonazis in Schwierigkeiten. Dann haben sie keine Plattform mehr, die sie für ihren Nachwuchs als Erlebniswelt anbieten können. Das würde auch ihrem Selbstvertrauen nicht gut tun.

Was würde eine eventuelle Beteiligung der NPD an der Bezirksverordnetenversammlung für Lichtenberg bedeuten?

Ein Einzug der NPD in die Bezirksverordnetenversammlung wäre für die Neonaziszene sicherlich ein wichtiger symbolischer Erfolg. Aber solange die NPD von allen Entscheidungsprozessen konsequent ausgeschlossen wird, bleibt es für die praktischen Auswirkungen egal. Was soll die NPD denn schon machen? Die können fleißig Presseerklärungen verfassen, aber kaum jemand wird sie drucken.

Interview: Johannes Radke