leserinnenbriefe
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Unerträglicher Zynismus

■ betr.: „Fangen oder töten“, taz vom 3. 7. 10

Die Formulierung des Sprechers des Kriegsministeriums, auch die gezielte Tötung von Menschen sei im Einklang mit dem Völkerrecht, offenbart ein Maß an Zynismus, Rechtsformalismus und Mangel an Achtung vor der „Würde des Menschen“, die unerträglich und empörend ist! Mit der leichtfertigen Bemerkung, auch Deutschland habe Personen auf die Feindesliste der Isaf gesetzt, sich selbst aber Selbstbeschränkung auferlegt, wird hier skrupellos erklärt, dass man die Beihilfe zum Mord für normal hält und praktiziert. Klar ist bei alledem, dass sich die militärische Führung hier in einer Zwangslage befindet, da sich die hoffnungslos unterlegenen Gegner im asymmetrischen Krieg der offenen Konfrontation mit dem haushoch überlegenen Aggressor entziehen und aus dem Verborgenen heraus operieren, was die traditionelle Kriegführung seit jeher vor unlösbare Probleme stellt. Dieses Verfahren kommt einer Hinrichtung ohne faire Untersuchung und Verurteilung gleich, was sich wegen der bei zivilisierten Nationen in der Regel üblichen Ablehnung der Todesstrafe verbietet. Man sollte daraus endlich die Schlussfolgerung ziehen, dass Kriege einfach kein humanes Mittel zur Lösung von Problemen und Konflikten sind und auch nicht zu Gemeinwesen passen, die gerne Demokratie und Menschenrechte für sich in Anspruch nehmen. LUDWIG SCHÖNENBACH, Bremen

Plunder verkaufen

■ betr.: „Der Traum von der eigenenMatte“, taz vom 29. 7. 10

Sie denken darüber nach, sich eine Yogamatte zu kaufen? Sie haben schon Hockeyschläger, Tennisbälle, Rollerblades u. v. m. in der Abstellkammer gehortet? Ich empfehle, den ganzen angehäuften Plunder zu verkaufen und sich auf das zu konzentrieren, was Ihnen wirklich Freude bereitet. Ich nehme mir die Zeile aus dem Song von Charlie Winston „the less i have, the more I am a happy man“ zu Herzen und lebe damit viel glücklicher als vorher. SASCHA PIHAN, Mainz

Infantilismus

■ betr.: „verboten“ zu Schlussstrich unter das RAF-Ding, taz vom 29. 7. 10

Nicht ohne guten Grund wurde der Versuch, die Verjährungsfrist für Mord einzuführen, vor einigen Jahrzehnten durch vehemente Proteste aus der Bevölkerung gestoppt. Dem Sohn eines Mordopfers späten Infantilismus vorzuwerfen, wenn er nach den wahren Mördern sucht, ist zynisch und immer noch von klammheimlicher Freude getragen.

Wer hier erwachsen werden sollte, ist der Autor dieser unsäglichen Kolumne. SASCHA MANTSCHEFF, Windeck

Ärztejammer

■ betr.: „Die Ärztebeschwerde“, taz v. 24. 7. 10, LeserInnenbriefe, taz v. 29. 7. 10

Es ist schon sonderbar, dass hier gerade eine Berufsgruppe jammert, der es finanziell sehr gut geht, da sie mit planbaren Einnahmen durch das Zwangssystem Krankenkasse rechnen kann. So ist die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge um 0,6 Prozentpunkte von 14,9 auf 15,5 % des Bruttoeinkommens de facto eine Erhöhung um 4 %. Den Ärzten und dem gesamten Apparat werden 4 % mehr Gelder in die Kassen gespült, während seit Jahrzehnten Landwirte, Freiberufler, kleine Handwerker, aber auch Arbeitnehmer mit rückläufigen realen Entlohnungen zu kämpfen haben, dabei jedoch laufend mit höheren Sozialkosten und Steuern konfrontiert werden. Wenn ich hier in die Gegend sehe, dann kann ich von einer Einkommenskrise bei den Ärzten nichts erkennen. Es wäre wünschenswert, wenn Einnahmen aus den Sozialabgaben – ebenso wie die staatlichen Zuschüsse für den landwirtschaftlichen Bereich – im Internet veröffentlicht würden. Auf dieser Basis wäre dann nachvollziehbar, wo wirklich Handlungsbedarf besteht.

RICHARD LAUSSER, Schorndorf

Ausnahmezustand

■ betr.: „Das Mandat zum Töten“, taz vom 29. 7. 10

Die Übertitelung „Rechtskunde“ suggeriert, dass Begriffen wie „nicht-staatliche Aufständische“ für Talibankämpfer eine objektive, allgemein zu akzeptierende Bedeutung zukommt. Die Bush-Regierung hat durch die Besetzung Afghanistans die Taliban aber erst zu Aufständischen gemacht. Ich bin nicht der Auffassung der damaligen US-Regierung, dass der Krieg allein nur der Selbstverteidigung der USA (wie von der damaligen UN-Resolution legitimiert) in angemessener Form diente. Es handelte sich um eine nicht demokratisch legitimierte Maßnahme für einen Ausnahmezustand. Nach meinem moralischen Empfinden darf man einen kriminellen Akt, von Einzelnen ausgeführt, von denen keiner ein Afghane war, nicht mit einem Angriff auf ein Land beantworten, das im Frieden mit anderen Staaten existiert hatte. Ich weiß, dass die Taliban undemokratisch sind und Menschenrechte missachten, aber von wie vielen Staaten im Nahen und Mittleren Osten lässt sich Besseres sagen? ST. UNGEHEUER, Düsseldorf