piwik no script img

Hariris Helfer steht auf eigenen Füßen

Seit Beginn der israelischen Luftangriffe ist Libanons Premierminister Fuad Siniora in eine Rolle hineingewachsen, die ihm viele nicht zugetraut hätten. Über Jahrzehnte stand der 63-jährige Sunnit aus dem südlibanesischen Saida im Schatten des im Februar 2005 ermordeten Expremierministers Rafik Hariri – als Manager von dessen Banque Méditerranée in den Achtzigerjahren oder als Minister in den fünf Kabinetten, denen Hariri nach Ende des Bürgerkrieges (1975–1990) vorstand. Seit vergangenem Sommer nun, nach dem Sieg der so genannten „14. März“-Kräfte bei den Parlamentswahlen, muss Siniora sich ohne die schützende Hand Hariris behaupten.

Und das tut der studierte Ökonom auf beeindruckende Weise, wie viele Libanesen nach dessen emotionaler Rede an die Nation am Wochenende fanden. Auch Diplomaten sind voll des Lobes über das souveräne und zugleich emphatische Krisenmanagement des Finanzexperten. „Libanon ist ein verfluchtes Land, das sofortige und umfassende Hilfe braucht, um wiederaufzubauen, was in diesem grässlichen Krieg zerstört wurde“, erklärte Siniora mit Tränen in den Augen. Er beendete seine Rede mit den Worten: „Libanon wird überleben, Libanon wird überleben, Libanon wird überleben.“

Dass die gemeinsam mit Hariri gestemmte Aufbauarbeit der Neunzigerjahre nun innerhalb von Tagen zunichte gemacht wird, ist wohl nicht nur für Siniora kaum zu fassen. Schon Anfang der Sechzigerjahre hatten sich die beiden Männer kennen gelernt. Ihre gemeinsame Heimatstadt Saida liegt rund fünfzig Kilometer südlich von Beirut und ist eine Hochburg der libanesischen Sunniten. Den Aufbaugeist wiederzubeleben, für den der als „Mr. Lebanon“ titulierte Multimilliardär Hariri stand, dürfte seine schwierigste Aufgabe sein. Dass das ohne massive Hilfe von außen nicht funktionieren wird, weiß Siniora. Am Mittwoch sammelte er das diplomatische Korps um sich, um die ausländischen Botschafter zur gemeinsamen weltweiten Kraftanstrengung für den Libanon zu bewegen.

An Erfahrung in der Regierung mangelt es Siniora jedenfalls nicht. Er war Mitglied in allen Hariri-Kabinetten seit 1992, zuletzt als Finanzminister. Seinen Aufstieg zum Premierminister, der laut Nationalem Pakt von 1943 immer ein Sunnit ist, hat er letztlich Hariris Sohn Saad zu verdanken. Der erst 36-Jährige überließ im vergangenen Sommer Siniora den Vortritt. Entscheidend für den Erfolg des Premierministers wird sein, wie sich das Verhältnis zu den beiden im Kabinett vertretenen Hisbollah-Ministern entwickelt. Noch hält die Regierungsmannschaft zusammen.

MARKUS BICKEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen