: Polizei spaltet Türken
Neue Studie: Junge Deutsch-Türken in NRW fühlen sich von den Ordnungshütern diskriminiert. Ältere Migranten sehe die Polizei positiver. Wissenschaftler fordert mehr türkischstämmige Polizisten
VON NATALIE WIESMANN
Jeder zweite türkischstämmige Einwohner Nordrhein-Westfalens ist davon überzeugt, dass deutsche Polizisten Türken für krimineller halten als deutsche Bürger. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Zentrums für Türkeistudien (ZfT) in Essen unter 1.000 türkischen Migranten. Die andere Hälfte der befragten Deutsch-Türken in NRW hat dagegen ein eher positives Verhältnis zur Polizei.
Je größer die Erfahrung mit den grün Uniformierten, desto größer die Skepsis: Türkische Migranten und Migrantinnen, die in den vergangenen fünf Jahren direkt mit der Polizei Kontakt hatten, werfen den Beamten zu rund einem Drittel diskriminierendes Handeln vor – deutlich mehr als diejenigen, die bisher nichts mit den Ordnungshütern zu tun hatten. Ältere Migranten sehen die Ordnungsmacht weniger skeptisch, heißt es in der im Spiegel vorab veröffentlichten ZfT-Erhebung. Während die unter 30-Jährigen am wenigsten Vertrauen haben, stehen Rentner aus der ersten Einwanderergeneration der Polizei meist positiv gegenüber.
Auch Hikmet Askaroglu fühlt sich wegen seiner türkischen Herkunft von der Polizei diskriminiert. Zuletzt wurde der 25-jährige Dortmunder während des WM-Spiels Togo gegen Schweiz in seiner Stadt auf dem Rückweg von einer Hochzeit von der Polizei angehalten. Er sei mit einem türkischstämmigen Bekannten an der Ampel aus einem Auto gestiegen, während diese gerade auf Grün umsprang. „Der Vorwurf war, wir hätten den Verkehr aufgehalten“, so Askaroglu. Er und seine Freunde seien dann an die Wand gestellt und untersucht worden wie Schwerverbrecher. „Der eine Polizist sagte immer wieder: Du redest erst, wenn ich dir das erlaube.“ Nachdem Askaroglu sich verbal verteidigte, wurde ihm „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ vorgeworfen. Nach einem Aufenthalt in der U-Haft kam dazu noch der Tatbestand der Beleidigung und Körperverletzung. „Ich habe niemanden angegriffen“, sagt er.
Erfahrungen wie die von Hikmet Askaroglu seien Einzelfälle, sagt die NRW-SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. „Doch diese prägen sich bei den Menschen ein und werden zu hartnäckigen Vorurteilen“, so die deutsch-türkische Politikerin aus Köln. Akgün hat einige Male Polizisten im Umgang mit Migranten geschult. „Ihre Einstellung gegenüber Migranten ist nicht diskriminierender als bei anderen Berufsgruppen“, sagt die Sozialdemokratin.
Die Politik sollte subjektive Empfindungen und Erfahrungen der Migranten ernst nehmen, sagt Faruk Sen, Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien. Er fordert als Konsequenz aus der Studie mehr türkischstämmige Polizisten. „Dann fühlen sich die Jugendlichen weniger als Fremdkörper“, sagte er der taz. Die Kölner SPD-Abgeordnete Akgün unterstützt diese Forderung – will jedoch verhindern, dass die türkischstämmigen Polizisten sich nur um ihre Klientel kümmern sollen: „Das zementiert die Parallelgesellschaft.“
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