Prozess der Annäherung stockt

Die Terroranschläge auf Züge in Bombay belasten das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Indien und Pakistan weit stärker als zunächst gehofft

DELHI taz ■ Die Bombenanschläge auf Züge in Bombay überschattet den Annäherungsprozess zwischen Indien und Pakistan. Die für diese Woche geplanten Gespräche der Außenstaatssekretäre wurden ausgesetzt. Ohne deren Vorgaben und Impulse stocken nun auch andere technische Verhandlungen.

Direkt nach den Anschlägen vom 11. Juli hatte Indiens Premier Manmohan Singh versucht, den Schaden zu begrenzen. Er nannte bei der Frage nach den Hintermännern Pakistan nicht namentlich. Das Ausmaß des Terrors und die öffentliche Empörung zwangen ihn zu schärferen Tönen. Er forderte Pakistans Machthaber Pervez Musharraf auf, zu seinem Versprechen von 2004 zu stehen, grenzüberschreitenden Terrorismus zu unterbinden. Beim St.-Petersburg-Gipfel drängte Singh auf eine scharfe Verurteilung der Attentate durch die G 8, was einstimmig erfolgte. Pakistan wurde nicht genannt, doch ließ die Formulierung keinen Zweifel, wer gemeint war.

Islamabad hatte die Anschläge verurteilt. Präsident Musharraf bot Indien Hilfe an, falls Beweise für Verbindungen nach Pakistan vorlägen. Delhi ging nicht darauf ein. Der Regierungssprecher nahm vielmehr eine missverständliche Aussage von Pakistans Außenminister Kurshid Kasuri in Washington zum Anlass, um den Druck zu erhöhen. Kasuri verwies darauf, dass Indien schnell Pakistan anklage, Beweise aber schuldig bleibe.

Auch für eine Urheberschaft der „Laschkar-i-Taiba“ (LiT) für die jüngsten Bombenanschläge fehlen bislang Beweise. Sogar im Fall der Bombayer Bombenanschläge von 1993 – mit 257 Toten der schwerste Terrorakt in Indien – ist bis heute kein Verdächtiger rechtsgültig verurteilt. Pakistanische Kommentatoren erkennen die mögliche Beteiligung ihres berüchtigten Geheimdienstes ISI an. Sie schieben aber gleichzeitig die Unruhen in Balutschistan dem indischen Rivalen RAW in die Schuhe und sehen das Ganze als Teil eines schmutzigen Kleinkriegs.

Für Indien entbehren solche Vergleiche jeglicher Basis. Und es verweist darauf, dass die Kaschmir-Milizen in Pakistan offen zum Dschihad gegen Indien aufrufen. Ihre Führer können sich frei in Pakistan bewegen. Zwar ist die LiT auch in Pakistan verboten, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass die „Dschamaat-ud-Daawa (DuD)“, die sich als islamische Wohlfahrtsorganisation ausgibt, die legale Front der LiT darstellt. Zumindest ist der DuD-Vorsitzende Hafiz Saeed ein ehemaliger LiT-Chef.

Indien weiß nicht, was es aus diesem Doppelspiel Pakistans machen soll. Es ist für die Regierung klar, dass die Kaschmir-Kämpfer vom Regime toleriert, wenn nicht via ISI gefördert werden. Aber wer ist mit Regime gemeint? Ist es der Musharraf, der die Schraube mit Terrorakten anzieht, wenn der Friedensprozess ins Stocken kommt wie in den letzten Monaten? Oder sind es Armeekreise und Islamisten, die Musharraf nicht kontrolliert und die seinen Spielraum einengen?

Stimmt die erste Vermutung, müssen der Druck auf Musharraf erhöht und sein Doppelspiel entlarvt werden. Stimmt die zweite, muss er – wie dies Washington tut – gestärkt werden. Die Alternative wäre ein noch rigideres Regime mit einem Mix von Armee-Hardlinern und Islamisten.

Premier Singh hat wieder zu einer konzilianteren Sprache zurückgefunden. Er betont, der Friedensprozess sei nicht abgebrochen, sondern nur suspendiert. Dennoch ist der Rückschlag schwer wiegend. Immerhin bleiben die Erleichterungen für Personenkontakte unangetastet. BERNARD IMHASLY