Protest „gegen das Morden“ in Tel Aviv

Tausende demonstrieren gegen die Libanonoffensive der israelischen Armee, darunter viele Prominente. Es sind sowohl Juden wie Araber

Tel Aviv taz ■ In Israel mehren sich die Proteste gegen die Libanonoffensive. Gut 2.500 Demonstranten versammelten sich am Samstagabend auf dem Jitzhak-Rabin-Platz in Tel Aviv, um „gegen das Morden“ und die „brutalen Gewalteinsätze“ in Libanon zu protestieren. Aufgerufen hatten der linksradikale „Friedensblock“, die kommunistische Partei sowie die arabischen Knesset-Listen. Die Friedensbewegung Peace now war nicht mit von der Partie. „Wir können die Botschaft der Veranstaltung nicht mittragen“, begründete die Bewegung ihre Distanz.

„Wir sterben nicht im Auftrag der USA, und wir töten nicht im Auftrag der USA“, so der wiederholte Slogan, der sich wie selten zuvor gegen den „Großen Bruder“ jenseits des Atlantiks wandte. Zu hören ist die Aufforderung an den Verteidigungsminister Amir Peretz: „Amir tritt zurück, der Frieden ist wichtiger.“ Viele bekannte Gesichter sind unter den Demonstranten: Politiker, Schriftsteller, Filmemacher, zu etwa gleichen Teilen Juden und Araber. „Fast aus jedem Dorf in Galiläa sind Busse gekommen“, sagt ein junger Araber, der mit drei Freunden zusammen ein riesiges Plakat trägt: „Krieg ist eine Katastrophe, Frieden die Lösung“ steht darauf.

Unter den Demonstranten, die aus den arabischen Dörfern angereist sind, überwiegen die Jugendlichen, während die jüdischen Aktivisten meist älter sind. Die deutliche Mehrheit hat die vierzig überschritten. „Ich bin ganz einfach gegen den Krieg“, erklärt Franca, die vor 38 Jahren ihrem israelischen Mann nach Tel Aviv gefolgt ist. „Man kann sich seine Feinde ebenso wenig aussuchen wie seine Freunde.“ So isoliert wie in diesen Tagen habe sie sich noch nie in ihrer Wahlheimat gefühlt, meint sie. Nach jüngsten Umfragen unterstützen 90 Prozent der Israelis die Libanonoffensive.

Für die Demonstranten wird der Marsch vom Rabin-Platz bis zur etwa zwei Kilometer entfernten Cinematheque phasenweise zum Spießrutenlauf. Ein älterer Mann in Unterhemd und kurzen Hosen winkt auf dem Balkon seiner im zweiten Stock liegenden Wohnung lebhaft mit zwei Israelflaggen: „Euch sollte man alle in die Luft sprengen“, ruft er wütend in Richtung des Protestzugs, während seine Frau kreischend gegen die Rufe der Aktivisten anzugehen versucht. „Ja zum Krieg“, schreit sie, „nein zum Frieden!“

Die meisten Passanten beobachten das Schauspiel mit erkennbarer Ambivalenz. „Natürlich bin ich auch gegen den Krieg“, sagt ein junger Fahrradfahrer. „Aber wir werden doch auch angegriffen.“ SUSANNE KNAUL