Manager für Krisen und Katastrophen

Als er mit 15 Jahren eine Ortsgruppe von amnesty international aufbaute, habe er wohl kaum gedacht, einmal die Aufgabe zu haben, das Gewissen der Welt zu sein. Man werde seine Stimme sicher bald hören, wenn unser Gewissen wieder eine kleine Erinnerung brauche, schrieb das Time Magazine unlängst über Jan Egeland.

Jetzt hat sich der 49-jährige Norweger und UN-Koordinator für Humanitäre Hilfe wieder zu Wort gemeldet: aus der libanesischen Hauptstadt Beirut, die seit 12 Tagen unter israelischem Beschuss ist. Sollte die Offensive andauern, werde es mehr und mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung geben, sagte Egeland und bezifferte die nötige Soforthilfe, um eine Katastrophe bei der Versorgung der Menschen im libanesischen Kriegsgebiet in den nächsten Monaten abzuwenden, auf mindestens 100 Millionen Dollar.

Hungersnöte, Erdbeben, Unwetter und Kriege: Egeland ist zur Stelle, sei es im westsudanesischen Darfur, im Ostkongo oder in Asien. Den Posten als UN-Nothilfekoordinator hat der Politologe, der in Berkeley, den USA, Oslo und Jerusalem studierte, seit Juni 2003 inne. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der verheiratete Vater zweier Kinder bereits seit vielen Jahren Fragen humanitärer Hilfe sowie der Krisen- und Konfliktbewältigung gewidmet: mit 23 Jahren seinerzeit jüngster Vizevorsitzender von amnesty, als Autor wissenschaftlicher Studien sowie als Journalist.

Während seiner Tätigkeit als Staatssekretär im norwegischen Außenministerium von 1990 bis 1997 war Egeland an zahlreichen Friedensprozessen beteiligt. 1992 war er Mitinitiator und -organisator der norwegischen Vermittlung zwischen Israelis und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die zum Oslo-Abkommen vom September 1993 führte. Als Leiter der norwegischen Delegation bereitete er das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung von Guatemala und den Rebellen von 1996 mit vor. Auch die 1997 in Ottawa vereinbarte Konvention gegen Landminen trägt Egelands Handschrift.

So erfolgreich sich Egeland auf diplomatischem Parkett bewegt, so unverblümt bringt er manchmal auch Missstände auf den Punkt. „Das Weihnachtsfest sollte viele westliche Staaten daran erinnern, wie reich wir geworden sind. Wenn jetzt viele dieser Staaten nur 0,1 bis 0,2 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Auslandshilfe aufwenden, finde ich das wirklich kleinlich“, sagte er im Dezember 2004, als es darum ging, Mittel für die Bekämpfung der Tsunami-Folgen aufzutreiben. Offensichtlich fühlten sich vor allem die USA angesprochen – sie stockten ihren Beitrag daraufhin um 350 Millionen Dollar auf.

BARBARA OERTEL