Workout ohne Worte

Neue deutsche Leitkultur in Bielefelder Fitnessstudio: Wer dort Türkisch spricht, der fliegt. Wer das rassistisch findet, kommt nicht aus seinem Vertrag. Subversive Lösung: Alle sprechen Türkisch

VON NATALIE WIESMANN

Der Boykott ist in der Regel ein wirksamer Protest. Wenn aber der Boykottierte den Grund nicht anerkennen will, kann selbst Zivilcourage schon mal ins Leere laufen. So passierte es im „Aktuellen Fitnessstudio“ in Bielefeld, wo fünf Klienten zurzeit vergeblich versuchen, aus Protest gegen die Diskriminierung von türkischstämmigen Deutschen ihren Verträgen zurückzutreten.

In dem Studio mit dem total unlustigen Namen spielte sich im Februar des Jahres eine genauso unlustige Geschichte ab: Die Deutschtürken Volkan Aksu und Dilan Nakipoglu-Floth, beide Mitte Zwanzig, wurden eines Tages von einer Trainerin aufgefordert, das Türkisch sprechen im Studio zu unterlassen. Zur Begründung wurde behauptet, sie störten die anderen Gäste bei ihren Leibesübungen. Niemand hatte sich bisher beschwert. Das stellte sich natürlich erst später heraus.

Verursacher des neuen Gebots war nämlich der seriöse Hausherr Jens Schulz, wild beflügelt von der aktuellen und medial hochgekochten Diskussion über eine Deutschsprachpflicht auf deutschen Schulhöfen. Was auf Schulhöfe gut ist, kann auch für mein Studio nicht schlecht sein, dachte sich der Retter der deutschen Sprache und wollte flugs die bösen Fremdsprachen aus seinem Studio verbannen.

Weil Aksu und Nakipoglu aber nicht bereit waren, sich den selbst erlassenen Gesetzen des Inhabers zu unterwerfen, hatten sie ein paar Tage später die fristlose Kündigung im Briefkasten. Von kritischen Presseberichten und der Ermahnung eines Migrationsrats lässt sich Schulz natürlich nicht beirren. Es folgte der in solchen Kreisen übliche Rechtsstreit. Wär doch gelacht, wenn solche Subjekte nicht hinausgeworfen werden könnten.

Anders herum ist das natürlich was anderes. So leicht die einen aus ihrem Vertrag bugsiert werden können, so schwer macht das „Aktuelle Fitnessstudio“ es den fünf protestierenden Gästen. Die wollen dort nämlich nun nicht mehr ihre Muckis trainieren und aus den Verträgen raus. Einer von ihnen ist Jens Scherenberg, seit zwei Jahren Mitglied. „Für mich fängt Rassismus genau da an“, sagt der 41-jährige Gärtner. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nie im Leben einen Vertrag unterschrieben“. Das Studio habe ihm falsche Tatsachen vorgetäuscht, er fühle sich persönlich gekränkt. All das und noch viel mehr hat Scherenberg in seine Kündigung geschrieben. Interessiert hat das niemanden. Zurück kamen nur zwei Zeilen, die in etwa lauten: „Ihr Vertrag läuft erst im Oktober aus, viel Glück für ihr weiteres Leben.“ Glück kann schließlich in Deutschland jeder brauchen.

Auch Rechtsanwalt Sebastian Nickel gehört zu den Boykottierern. Er wollte mit seiner fristlosen Kündigung verhindern, „dass sich solche Regeln in Fitnessstudios durchsetzen lassen“. Der von ihm angeführte Rassismus kann für den Chef kein Kündigungsgrund sein: „Im Übrigen gehen wir davon aus, dass Vertragsgegenstand die Möglichkeit ist und war, sich körperlich zu ertüchtigen und nicht die Möglichkeit, sich in Fremdsprachen zu unterhalten. Was soll der Hintergrund einer außerordentlichen Kündigung sein?“ kam als schriftliche Antwort.

Körperliche Ertüchtigung? Diese Sprache ist doch bekannt. Damit wurde einst auch die deutsche Jugend fit gemacht. Hitlerjugend-Verordnung von 1934. Kleines Zitat: „Aber nicht aus gesundheitlichen Gründen allein hat sich die HJ die körperliche Ertüchtigung der deutschen Jugend zur Aufgabe gemacht. Da jeder Hitlerjunge freiwillig bereit ist, mit seinem Leben für seinen Führer und für den Nationalsozialismus einzustehen, ist er auch verpflichtet, die hierfür erforderlichen körperlichen Voraussetzungen zu schaffen.“ Toll, wo jeder weiß, was da einmal draus geworden ist.

Wir meinen, einer solchen Geschichte kann nur mit subversiven Mitteln begegnet werden: Dem konsequenten Sprechen von Türkisch aller im nun unrühmlich bekannten Bielefelder Studio. Deshalb hier ein paar Basisvokabeln, die sich besonders für die schweißnasse Atmosphäre zwischen Hantelbank und Laufband eignen.