KOMMENTAR VON KAIJA KUTTER ÜBER DEN UMGANG MIT DEM FALL YAGMUR
: Wie beim Flaschendrehen

Eine Enquete-Kommission zur Jugendhilfe wäre die klügere Variante gewesen

Auch wenn der Bericht der Jugendhilfe-Inspektion ausführlich ist, im Fall der toten Yagmur gibt es für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) bestimmt noch manches aufzudecken. Trotzdem stellt sich die Frage, ob nicht eine Enquete-Kommission zur Jugendhilfe die klügere Variante gewesen wäre.

So hat man das Gefühl, es ist wie beim Flaschendrehen. Stirbt ein Kind, wird jene Rathaus-Partei, die gerade an der Regierung ist, politisch gejagt. Ist nach der Wahl eine andere dran, geht das Spiel mit vertauschten Rollen weiter. Es sind seit 2004 sechs Mädchen in Hamburg gestorben. Die CDU hat das Sozialressort geleitet, während Michelle, Jessica, Morsal und Lara-Mia zu Tode kamen. Das Fachamt für Familie liegt seit über zehn Jahren in den Händen des Sozialdemokraten Uwe Riez. Die Rezeptur, mit der die Politik reagiert – unter anderem wird mehr Dokumentation verlangt und eine 120 Millionen Euro teure neue Software installiert –, ist seither fast die selbe.

Nun hat die Verwaltung einen Bericht, in dem steht, welcher Jugendamtsmitarbeiter wann was getan hat, aber kaum noch erfahrene Mitarbeiter, die diesen Job aushalten. Eine Enquete-Kommission hätte auch die von 2004 an geschaffenen Rahmenbedingungen hinterfragt. Sie hätte den Frage-Fokus weiter gefasst als nur auf diesen Einzelfall. Dass so eine Kommission die Kraft hat, Dinge zu bewegen, zeigt das Beispiel der Schul-Enquete von 2006, die die Abschaffung der Hauptschule zur Folge hatte.

Doch selbst eine solche Kommission könnte keine Lösung finden, die verhindert, dass ein Kind zu Tode kommt. Sozialarbeit hat mit Menschen zu tun, da lassen sich Fehler nie durch festgelegte Handlungsraster ausschließen. Es gilt, gute Entscheidungen für die Kinder zu treffen. Denn auch bei einer Heimunterbringung können Kinder leiden. Dass in Bremen, welches nur ein Drittel der Einwohner Hamburgs hat, seit 2006 kein Kind zu Schaden kam, ist sehr erfreulich. Hier muss man gucken, was der Nachbarstadtstaat richtig macht.

Genügend Zeit etwa für Hausbesuche ist in jedem Fall nötig. Eine Aufstockung des Personals beim Allgemeinen Sozialen Dienst und eine Fallzahlobergrenze sind das Gebot der Stunde. Hier müssen sich sowohl SPD als auch die zuvor regierende CDU dem Vorwurf stellen, zu lange gewartet zu haben. Ein Sondertopf für mehr Personal kann schnell geschaffen werden. Dafür braucht man weder auf einen PUA noch eine Enquete-Kommission zu warten.