Eintopf der Klassenlosen

Esst mehr Gemüse, ihr Bewohner ferner Planeten: von Perry Rhodan und der indischen Hockeymannschaft lernen. Ein Abend im „Anarchistischen veganen Info-Café“ im Bethanien

VON ANDREAS HARTMANN

Anarchismus ist gerade wieder ein Thema. Anlässlich des Gedenkens an den Spanischen Bürgerkrieg vor 70 Jahren laufen auf Arte sogar Sondersendungen über Francos Putsch und den Widerstand der spanischen Anarchisten. Im „Anarchistischen veganen Info-Café“, das seit der Besetzung eines Teils des Bethaniens durch ehemalige Bewohner des Hausprojekts Yorck 59 existiert, braucht es solchen Anlass nicht. Als Sommerthema hatte man sich etwas Besonders ausgedacht: Science-Fiction und Anarchismus. Anhand zweier einschlägiger Romane zum Thema, „Planet der Habenichtse“ von Ursula K. Le Guin aus dem Jahr 1974 und „Planet des Ungehorsams“ von Eric Frank Russel, der bereits 1953 erschienen ist, sollte gezeigt werden, wie hervorragend sich im Science-Fiction-Roman anarchistische Grundüberlegungen fiktional durchspielen lassen.

Science-Fiction und Anarchismus, das klingt nach Hipsterdiskurs, wie man sich ihn auch in der Volksbühne hätte vorstellen können. Dort hätte dann die Proudhon-Lesegruppe etwas vorgetragen und am Eingang wäre das Eintrittsgeld in Chips umgetauscht worden, um die Bedeutungslosigkeit des Geldes in einer anarchistischen Gesellschaft zu demonstrieren. Eine echt linke Veranstaltung in einer echt linken Räumlichkeit kommt ohne derartigen salonanarchistischen Glamour aus. Eintritt zahlen musste man gar nicht, Getränke gab es zum Selbstkostenpreis, und ein Gemüseeintopf stand herum, für den jeder in die Kasse legte, was ihm das Essen wert war. Eigentlich sehr lebenswert, diese Welt der Linken. An der Wand hing ein riesiges Plakat: „Stoppt den Polizei-Terror gegen Flüchtlinge und Migrantinnen!“, und auf einem Rucksack prangte ein Button mit der Aufschrift „Vegan“.

„Du fängst einfach an, wenn du Bock hast“, wurde ein Referent eingeführt, und der hatte dann auch bald Bock. Zuerst erfuhr man, dass bereits in einem Perry-Rhodan-Groschenroman eine anarchistische Utopie verhandelt wurde. Anwesende nickten wissend, es scheint sich in der Szene herumgesprochen zu haben, dass selbst Perry Rhodan sich mit der klassenlosen Gesellschaft beschäftigt hatte.

Dann wurden die Romane vorgestellt. In „Planet des Ungehorsams“ geht es um eine Delegation der Erde, die auf einem anderen Planeten einer Gesellschaft begegnet, die keine Polizei, kein Militär und keine Politiker kennt. Die Besucher von der Erde können das erst einmal kaum nachvollziehen, doch nach und nach lassen sie sich von den Ideen des anarchistischen Planeten anstecken. Andere von dem zu überzeugen, was man selbst für richtig hält, dies ist eine der Grundmaximen der Anarchisten, Russel scheint sich ihr in seinem Roman verschrieben zu haben.

„Planet der Habenichtse“ wiederum gilt als „reifstes Werk“, so das Heyne-Lexikon der Science-Fiction-Literatur, von Ursula K. Le Guin. Hier geht es um die Gegenüberstellung zweier Planeten, Urras und Anarres. Der eine weist deutlich kapitalistische Gesellschaftsstrukturen auf, der andere wird von Freigeistern bewohnt. Le Guins Abneigung gehört Urras, ohne jedoch auf die Beschreibung von Problemen bei der Errichtung einer anarchistischen Gesellschaft auf Anarres verzichten zu wollen.

Klingt gut und interessant, was beide Romane erzählen. Die anschließende Diskussion geriet eher lustig und lecker. Es wurde noch ein wenig über die Perry-Rhodan-Heftchen gefachsimpelt, und einer meinte, dass es an der Zeit sei, gemeinschaftlicher miteinander umzugehen und dass persönlicher Verzicht ein guter Weg sei. Er selbst esse auch kein Fleisch mehr, und das sei gut für ihn. Die indische Hockey-Mannschaft habe bei einer Olympiade einmal Höchstleistungen mit vegetarischer Ernährung hinbekommen.

Wo waren wir stehen geblieben? Utopischer Anarchismus, das klinge ihm zu wischiwaschi, meinte noch einer. Er sei Kommunist und Marxist und glaube an die Wissenschaft. Woraufhin dogmatische Wissenschaftsgläubigkeit diskutiert wurde und nach anarchistischer Tradition der Kommunismus eher verworfen wurde, da er dem Staat eine zu große Rolle bei der Errichtung der klassenlosen Gesellschaft einräumen würde. Gut, dass wir darüber geredet haben, es war nicht unspannend, und ein veganer Eintopf ist etwas Leckeres.