Siniora enttäuscht

Geplant war das Ende der Konferenz für 13 Uhr, dann aber verzögerte sich die angekündigte Pressekonferenz um fast zwei Stunden. Doch wer gehofft hatte, die unvorhergesehene Nachspielzeit könne für einen Durchbruch stehen, sah sich am Ende enttäuscht. Wer daraus keinen Hehl machte, war Libanons Premier Fuad Siniora.

Denn als schließlich Italiens Außenminister Massimo D’Alema, seine US-Kollegin Condoleezza Rice und UN-Generalsekretär Kofi Annan mit Siniora vor die Presse traten, hatten sie eines nicht zu verkünden: Die Aussicht auf ein schnelles, gar auf ein sofortiges Schweigen der Waffen, wie es Libanons Ministerpräsident gefordert hatte. Schon in der von D’Alema und Rice ausgearbeiteten Erklärung war zwar von der Notwendigkeit eines baldigen Waffenstillstands die Rede, der aber wurde sofort mit den Adjektiven „permanent und nachhaltig“ versehen. Und die Bedingung, die dann vorneweg genannt wurde – die volle Kontrolle der libanesischen Regierung über den Süden des Landes – läuft darauf hinaus, dass ohne eine Entwaffnung der Hisbollah Frieden nicht in Sicht ist.

In Sicht ist zurzeit höchstens humanitäre Hilfe für die libanesische Zivilbevölkerung, der mit einem humanitären Korridor und auch der Luftbrücke zum Beiruter Flughafen Unterstützung zukommen soll. Weitergehend einigten sich die Konferenzteilnehmer auf die Aufstellung einer internationalen Stabilisierungstruppe unter UN-Mandat. „Stark und robust“ müsste diese Truppe sein, forderte Condoleezza Rice auf der Pressekonferenz; präzisere Umrisse wurden jedoch noch nicht deutlich – sie sollen Gegenstand von Verhandlungen in den nächsten Tagen sein. Unklar blieb vor allem, ob diese Truppe die Aufgabe haben soll, die Entwaffnung der Hisbollah durchzusetzen, oder ob sie erst anschließend in die Region einrücken soll. Auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstützte den Vorschlag zur Aufstellung einer Stabilisierungstruppe, machte aber zugleich deutlich, dass deren Erfolg davon abhänge, dass sie „von den Staaten der Region“ – also auch von Syrien – akzeptiert werde.

Im zweiten Schritt stellten die Gipfelteilnehmer die Einberufung einer internationalen Geberkonferenz in Aussicht, um über den Wiederaufbau des Landes zu beraten; zudem sollen die libanesischen Streitkräfte in den Genuss internationaler Hilfe kommen, damit sie künftig die Souveränität ihres Landes wahren können. Damit waren allerdings nicht die israelischen Attacken, sondern die bewaffnete Präsenz der Hisbollah und die Einmischung Syriens in den Libanon gemeint.

Libanons Ministerpräsident Siniora zeigte sich offen enttäuscht. Er war der Einzige, der das Wort vom „sofortigen Waffenstillstand“ in den Mund nahm – um zu konstatieren, dass es dazu nicht kommt. Seit 15 Tagen werde sein Land bombardiert und „in die Knie gezwungen“, da habe die Konferenz zwar „einen gewissen Fortschritt“ gebracht, aber bis zum Waffenstillstand sei der Weg offenkundig noch weit. Jeder Tag Verzögerung aber bedeute weitere Zerstörung, weitere Tote im Libanon. Siniora legte nach, auch er wolle die volle staatliche Souveränität im Libanon, zugleich aber sei Hisbollah nun einmal eine politische Partei, die wegen ihrer Rolle bei der Befreiung des Südens von israelischer Besatzung hohes Ansehen genieße. MICHAEL BRAUN