Export gestoppt

RUSSLAND Um den Agrarsektor des Landes zu schützen, erlässt Premier Putin ein Ausfuhrverbot

MOSKAU taz | Mit Wirkung vom 15. August führt Russland kein Getreide mehr aus. Das Exportverbot gilt vorerst bis Ende Dezember dieses Jahres. Premierminister Wladimir Putin reagierte mit dem äußerst kurzfristig verfügten Ausfuhrverbot auf die desolate Lage im heimischen Agrarsektor. Anhaltende Rekordhitze und verheerende Feuersbrünste haben die Ernteaussichten für dieses Jahr erheblich geschmälert. Gingen Prognosen Anfang des Jahres noch von 95 Millionen Tonnen Getreide aus, so beziffert das russische Landwirtschaftsministerium im August das Ernteergebnis mit maximal 70 Millionen Tonnen. Schätzungen unabhängiger Experten, die mit 65 Millionen Tonnen rechnen, fallen noch pessimistischer aus. Russlands Eigenverbrauch beläuft sich auf 75 Millionen Tonnen pro Jahr.

„Ein vorübergehendes Exportverbot für Getreide und andere Agrargüter ist nützlich“, sagte Putin.“ Ein Anwachsen der heimischen Preise müsse verhindert und auch der Umfang der Viehzucht dürfe nicht gefährdet werden, begründete der Premier die Maßnahme. Mit einem so schnellen Vollzug hatten die internationalen Märkte nicht gerechnet. An den Börsen machte sich Panik breit, die die Preise bis zu 12 Prozent in die Höhe trieb.

Russische Marktanalysten bewerten den radikalen Schritt unterschiedlich. Der Direktor des Instituts für Agrarkonjunktur, Dmitri Rylko, hält die Verfügung für „begründet, aber außerordentlich schmerzhaft für die Marktteilnehmer“. Einem galoppierenden Preisanstieg sei damit aber vorgebaut. Der Chef des russischen Getreideverbands, Arkadi Slotschewski, fürchtet, dass das Embargo dem Image der russischen Exporteure als verlässliche Lieferanten einen kaum reparablen Schaden zufüge. Denn das Verbot erstreckt sich auch auf bereits vertraglich fixierte Geschäfte. Sinnvoller wäre es gewesen, so Slotschewski, das Embargo wenn überhaupt erst ab September zu verhängen.

Vor dem Terminal im Schwarzmeerhafen Noworossisk, von dem aus das Getreide verschifft wird, hat sich schon eine 20 Kilometer lange Schlange von Getreidetransportern gebildet. Auch die Eisenbahnen stellten gestern den Transport ein. Ungeklärt ist, was mit dem Getreide geschehen soll, das nicht mehr verladen werden kann.

KLAUS-HELGE DONATH