berliner szenen Hortensiensommer

Der Fleck im Schritt

Wie ein Furunkel aus Stahl glänzt mein neuer Balkon in der Sonne und macht mich übermütig und die Menschen auf der anderen Seite vom Hof neidisch. Noch ist er kahl, aber bald schon, so nehme ich mir fest vor, wird der Balkon in schönster Schöner-Wohnen-Manier die lauten Fernsehgucker von Gegenüber noch neidischer machen.

Kurz darauf Ernüchterung im Gartencenter: Hortensien sehen gar nicht so vornehm aus wie sie klingen. Ich steche mich an Dornen und schiebe beleidigt meinen blassen Daumen in die Hosentasche. Die mitleidigen Blicke der Gartenkolonialisten ignoriere ich. Mein Entschluss steht fest: Diesen Sommer schließe ich meine floristische Bildungslücke mittels akribischer Bepflanzung. Ich kaufe sieben Tontöpfe, drei davon zu schwer, und rufe meine Schwester an. Sie flucht, ich zahle, sie trägt.

Kurz darauf regnet es Erde auf den Balkon der Leute unter mir. Es dauert nicht lange und in meinen Töpfen leuchten Blumen in allen Farben des Regenbogens – vielleicht sogar Indigo, aber eigentlich weiß ich immer noch nicht genau, was das ist. Die Töpfe ordne ich sorgfältig zufällig an, so wie ich das morgens mit meiner aufwändigen Nichtfrisur mache. Dann setze ich einen in der Bergmannstraße erstandenen Hindugott als Schutzpatron neben die Margarite. Außerdem kommt eine gelbe Kerze in Lotusblütenform in den göttlichen Schoß. Am nächsten Tag Stippvisite: Die Blumen beten die verschwindende Sonne an, der Hindu scheint das auch zu tun. In seinem Schritt ein verräterischer gelber Fleck. Während ich das Wachs abrubble, denke ich über die existenziellen Fragen des Tages nach, Vergänglichkeit und Sonnenbrand, und weiß wieder keine Antwort.

LENA KATHARINA HACH