Zum Abschied ein Konzert

Nach 15 Jahren schließt am Wochenende der Tränenpalast an der Friedrichstraße. Zwischen der Profitgier des Investors und der Dummheit des Senats war kein Platz mehr für den Veranstaltungsort

VON KARIN SCHÄDLER

Der kubanische Kellner im Sommergarten des Tränenpalasts erledigt schwungvoll wie immer seine Arbeit. „Das Leben geht weiter“, sagt Ivan Mustelier Gobian, der am 31. Juli seinen Job verlieren wird. Denn dann schließt der Tränenpalast an der Friedrichstraße nach 15-jährigem Spielbetrieb. So richtig kann Gobian nicht glauben, dass es nun vorbei ist. Der 42-Jährige wischt die braunen Holztische im Sommergarten ab. Es habe Spaß gemacht, im Tränenpalast zu arbeiten: „Immer andere Menschen, immer andere Events.“

Etwa 6.000 Veranstaltungen habe es im Tränenpalast in den 15 Jahren gegeben, sagt Betreiber Marcus Herold. Darunter vor allem Theateraufführungen und Konzerte mit zum Teil hochkarätigen Gästen. Bis zu 110.000 Besucher kamen jährlich. Der „Buena Vista Social Club“ spielte hier, als es den Wim-Wenders-Film über die Band noch gar nicht gab. Bruce Willis war da. Auch das Konzert von Prince werde er nie vergessen, sagt Herold: „Vor allem, weil es ein Riesentheater war. Die Abendschau filmte mit einer Leiter durch die Belüftung.“

Der politische Kabarettist Heinrich Pachl, der drei Mal im Tränenpalast auftrat, hält die bevorstehende Schließung für „eine Katastrophe für Berlin“. Er sei sehr traurig darüber. Die Mitarbeiter seien ein gutes Team gewesen, das sehr professionell zusammengearbeitet habe. Dennoch musste den 30 Mitarbeitern bereits Mitte Juli gekündigt werden. Nur wenige wird Herold mitnehmen können, wenn er mit dem Namen Tränenpalast über den Sommer hinweg noch in anderen Häusern gastiert.

Der Tränenpalast wird ab Oktober erst einmal Teil einer Großbaustelle sein. Nebenan wird ein zehnstöckiges Geschäftshaus errichtet, gleichzeitig will Investor Harm Müller-Spreer den Tränenpalast bis Anfang 2008 für 2 bis 3 Millionen Euro sanieren lassen. Der angebaute Eingangsbereich, den Herold erhalten hat, wird allerdings abgerissen. Denkmalgeschützt ist nur das Hauptgebäude. Dabei zeigt gerade der Anbau viel von der deutsch-deutschen Vergangenheit. „Wir haben hier noch schusssichere Türen aus DDR-Zeiten“, sagt Herold. Auch die Messlatte, mit der die Volkspolizisten die Größenangaben im Pass überprüft hätten, sei dort noch zu sehen.

Zu DDR-Zeiten spielten sich im Tränenpalast bewegende Szenen ab. Das Gebäude diente den DDR-Zöllnern als Grenzabfertigungssaal, Ostberliner verabschiedeten hier ihre Besucher aus dem Westen oft unter Tränen. Nach der Wende übernahm Herold rasch den Betrieb des Gebäudes. Der Tränenpalast habe damals „völlig zerstört“ ausgesehen. „Ich habe ein immenses Geld reingesteckt, so konnten wir das Gebäude provisorisch instand halten.“ Jahrelang sei der Tränenpalast ohne Subventionen ausgekommen. „Wir haben uns durchgewurschtelt“, sagt Herold. Die Landespolitik habe sich nicht wirklich für den Ort interessiert. „Ich kann mich nicht erinnern, dass je ein Berliner Kultursenator zu einer unserer Veranstaltungen gekommen wäre.“

Als das Land den Tränenpalast verkaufen wollte, verlangte der Liegenschaftsfonds nach Angaben von Herold 1 Million Euro für das sanierungsbedürftige Gebäude. „Irrwitzig“ sei dieser Preis gewesen, sagt Herold. Dennoch versuchte er, die Kaufsumme aufzubringen, um zu verhindern, dass das Gebäude an Müller-Spreer verkauft wird. „Wir haben damals zwischen den Stühlen gesessen“, sagt Matthias Kolbeck, Sprecher der Finanzverwaltung. Einerseits habe man gewollt, dass die Spreespitze bebaut wird. Andererseits habe man den Tränenpalast als Kulturbetrieb erhalten wollen.

Allerdings hatte das Land noch einen gewichtigeren Grund für einen Verkauf des Gebäudes an den Investor: Im Jahr 2000 hatte das Land Müller-Spreer ein Grundstück verkauft, das nur teilweise als Bauland nutzbar war. Um keinen Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen zu müssen, bot das Land dem Investor unter anderem das Gelände an, auf dem der Tränenpalast steht.

Das Gebäude ging also im vergangenen Jahr zusammen mit dem umliegenden Gelände an Müller-Spreer. Tränenpalast-Betreiber Herold, der das lange nicht hinnehmen wollte, gab viel Geld für Anwälte aus und wendete zu viel Zeit für den Rechtsstreit auf. „Die haben keine Vorstellung davon, was das für so einen kleinen Betrieb bedeutet, sich ständig mit Politikern zu treffen“, sagt Herold. Seinen Kulturbetrieb habe er dadurch in den letzten Jahren etwas vernachlässigt. Im vergangenen Jahr musste er dann Insolvenz anmelden. Dem Land macht er schwere Vorwürfe. „Die haben uns hier in die Insolvenz getrieben“, sagt Herold. Als „Gewinn für die Stadt“ sei der Tränenpalast vom Senat nie wahrgenommen worden.

Wie es nach der Sanierung weitergeht, ist unklar. Immerhin hat das Land im Kaufvertrag mit Müller-Spreer festgeschrieben, dass das Gebäude über 25 Jahre als Kultur- und Veranstaltungsort genutzt werden soll. Auch Herold käme wieder als Mieter in Betracht, so der Investor. Herold hingegen bezweifelt stark, dass er sich die Miete nach der Sanierung noch leisten kann.

Letzte Veranstaltungen: heute und morgen Kabarettist Reiner Kröhnert: „Angie goes Hollywood“, heute 20.30 Uhr, morgen 20.00 Uhr. Am Samstag zudem Konzert mit dem kubanischen Timba-Musiker Manolito Simonet Y Su Trabuco, 22 Uhr