Der Ausbruch des Berliner Butterkrieges

Vor genau 25 Jahren heirateten Lady Di und Prince Charles – mit fast verheerenden Folgen für zwei Brüder

Als Diana Charles ihr „I will“ zuhauchte, eskalierte die Lage

Am 29. Juli 1981 heiratete der britische Thronfolger Prince Charles die 20-jährige Kindergärtnerin Lady Diana Spencer. Doch schon während der Hochzeit in der Londoner St. Paul’s Cathedral, die 750 Millionen Zuschauer rund um die Erde an den Fernsehgeräten verfolgten, wurde schnell klar, dass diese Ehe einen dunklen Schatten auf die Welt werfen würde.

Das Jahr 1981 war eine Zeit bitterster Armut – jedenfalls für mich. Ich lebte in einer verrotteten Berliner Wohnung unter dem Dach zusammen mit einem seltsam zerstrittenen Brüderpaar, den Gansekows. Das einfache Leben spielte sich zu dritt in einer heruntergekommenen Küche meist vor dem Fernseher ab. Im Haus gab es diverse Absteigen und Bordelle, deren Arbeitskräfte wir aus dem Hausflur oder aus dem Supermarkt nebenan kannten und die gern mit uns Karten spielten. Anderweitige gemeinsame Aktivitäten wären uns nie in den Kopf gekommen.

Gelangweilt saßen wir an diesem heißen 29. Juli in der Küche und verfolgten auf einem alten, eisschrankgroßen Farbfernseher der Marke „Goya“ die „Hochzeit des Jahres“. Gerade in dem Moment, als Lady Diana dem Windsor-Fürsten ihr „I will“ zuhauchte, eskalierte die Lage zwischen den Brüdern, deren Lieblingssport Futterneid hieß. Vom langatmigen Schreiten der dürren Braut an der Hand ihres klapprigen Vaters durch die Kathedrale offenbar hungrig geworden, nahm sich der jüngere Bruder die letzte Ecke Brot und sägte eine mehr als zwei Daumen dicke Scheibe ab. Zurück blieb ein Hauch von einem Knust, den der ältere Bruder missmutig betrachtete. Als der jüngere Gansekow seinem Brot den Rest Butter auftun wollte, schnappte sich der ältere Gansekow die Scheibe und fuchtelte anklagend mit ihr in der Luft herum. Der Jüngere zögerte nicht lang und schleuderte mit einer eleganten Bewegung aus dem Handgelenk dem Bruder den bereits von der Klinge herabtropfenden Klumpen Butter zielsicher auf die Brille.

„Ich mach dich kalt!“, schrie der von der Butter Geblendete, griff sich das große Brotmesser und stürzte sich, als ob er einen Säbel in der Hand hätte, auf den Butterfeuerer, verfehlte diesen aber zum Glück beim ersten Angriff. Und so standen sich nun die beiden Brüder wutschnaubend mit gezückten Messern gegenüber. Sicher wäre es zum ersten historisch belegten Butterdoppelmord gekommen, hätte ich mich nicht wagemutig zwischen die fechtenden Brüder geworfen, um sie zu ermahnen, dass die feierliche Fürstenhochzeit eine gewähltere Art des Umgangs erfordere, was nach einigen gegenseitigen Beschimpfungen und Drohungen schließlich widerwillig akzeptiert wurde.

Ein Hochzeitspaar aber, das eine solche Aggression bis in die letzte Berliner Dachbehausung ausstrahlt, wird sich selbst bald bekriegen und die Welt mit hineinziehen in eine schauerliche Tragödie, ahnte ich schon damals, als ich hungrig wieder vor dem Fernsehgerät Platz nahm. Einer langen Tradition folgend hatte das britische Königshaus nach der Boston Tea Party von 1773, dem chinesischen Opiumkrieg von 1839 und der irischen Kartoffelkatastrophe von 1845 an diesem Tag vor 25 Jahren mit dem Berliner Butterkrieg von 1981 einen weiteren Nahrungs- und Genussmittelkrieg verursacht. MICHAEL RINGEL