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: Vernarrt in Fugenkitt

Taschenliebe, große Liebe: Hormonstau in den Redaktionen von Frauen- und Männermagazinen

Es kann nicht an der Hitze liegen – Augustausgaben werden bereits im Mai produziert. Vielleicht ist es der Krise auf dem Frauenzeitschriftenmarkt geschuldet – sinkende Auflagen, der Klammergriff der Anzeigenkunden, sozialistischer Einheitslook –, dass der Schwachsinn sich nach seiner Vertreibung Anfang der 90er-Jahre erneut Bahnen bricht.

„Verliebt in Taschen“, titelt die aus dem ehemaligen Anzeigenparadies der Hamburger Verlagsgruppe Milchstraße ins Münchner Burda-Land vertriebene Amica unter der Federführung von Patricia Riekel. „Sie tragen Vornamen wie sonst Haustiere“, heißt es im Editorial über die, denen Frauen ihr Herz schenken. Und richtig, „Guitar Bag“, „Monogram Miroir Speedy“ und „85th“ (Preis 17.500 Euro) sind gerade zu den beliebtesten Tiernamen gekürt worden.

Dass Lederaccessoires wie Gürtel, Taschen und Schuhe, die den Großteil eines Kollektionsumsatzes ausmachen, der optimale Frauen-Fetisch sind, wurde in den letzten Jahren massiv propagiert. Ja, Frauen mögen schöne Taschen. Nun aber sind sie „verliebt“ in sie. Nicht in Mann oder Freundin, nein in ihre Handtasche. Was kommt als Nächstes? Verliebt in Lampenschirme? Für die neu entdeckte Zielgruppe, die Heimwerkerin, „Verliebt in Fugenkitt“? Auch Brigitte Woman, das Heft für die Frau ab 40, hat das Liebesthema auf dem Titel: „Neu verlieben“, texten die Macherinnen und geben der nun in neuem Lichte scheinenden Frage mit „ … aber wie und in wen?“ den entscheidenden Drive. Etwas entrückt vom Fortgang der Dinge dreht sich alles im Heft ausschließlich um Männer. Trend verpasst?

Men’s Health, das sich monatlich an Männer richtet, die sich gern selbst ein wenig mehr lieben würden, wirft auch bereits auf seinem Cover die Frage nach der „großen Liebe“ auf und versucht im Heft zu beantworten, ob es sich lohnt, darauf zu warten. Da dies für Männer ob des Zusammenhangs mit Verantwortung und Treue nur bedingt interessant ist, dominieren die Sex-Themen. Ein Glück für die Herren: Sie dürfen ihre Fantasien ungezügelt mit Frauen ausleben und müssen sich nicht an Gucci Bags die Eichel wund stoßen.

Aber wir wollen jetzt nicht ungerecht sein. Unsere Freundinnen, die Amicas, meinen es schließlich nur gut mit ihren Liebsten, wenn sie die Frage, ob man auch Fälschungen tragen dürfe, zurückweisen mit einem deutlichen „Nein. Die Verluste, die Luxuskonzerne wie LVMH durch Billigkopien aus Asien erleiden, gehen in die Milliardenhöhe“. SILKE BURMESTER