Gottes Lohn genügt dem Weltstar

Gerhard Richter, Kölns berühmtester Künstler, hat ein neues Fenster für den Dom entworfen – ohne Honorar. Wenn die Scheibe 2007 fertig ist, können Besucher ein abstraktes Glaswunder bestaunen, eine Art Mosaik aus 11.500 Farbquadraten

AUS KÖLN HENK RAIJER

Im Bombenkrieg zerstört, die Unterlagen verbrannt. An eine originalgetreue Rekonstruktion des Südquerhausfensters aus dem 19. Jahrhundert war nicht zu denken. Trotzdem lebte bei vielen Freunden und Förderern des Kölner Doms seit Jahrzehnten der Wunsch nach einer Farbverglasung, die die nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzte sehr helle, transparente ersetzen sollte. Gestern präsentierten nun Domprobst Norbert Feldhoff und Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner in Köln der Öffentlichkeit den fertigen Entwurf des international renommierten Kölner Künstlers Gerhard Richter, der selbst Details seiner Arbeit erläuterte.

Die Suche nach einem Glaskünstler, der mit Respekt vor dem Erbe und einem Auge für das Gesamtkonzept vorgehen wollte, sei nicht einfach gewesen, sagte Schock-Werner: „Anfangs hat traditionelles Denken das Vorhaben dominiert.“ Märtyrer des 20. Jahrhunderts und gegenwartsbezogene Heilige sollten im neuen dem Roncalli-Platz zugewandten Fenster dargestellt sein. Und so hatte Schock-Werner 2002 zwei bekannte Glaskünstler beauftragt, figürliche, einer gotischen Kathedrale angemessene Entwürfe vorzulegen. Diese wollten sich dann aber nach Einschätzung der Kunstkommission des Bistums partout nicht in das farbliche und gestalterische Gesamtkonzept der Dom-Verglasung einfügen. „Das funktioniert so nicht“, hatte auch Gerhard Richter der Dombaumeisterin bei einer eher zufälligen Begegnung gesagt. „Wie wär‘s denn mit Ihnen“, hatte sie ihm erwidert. Richter, einer der erfolgreichsten Künstler der Gegenwart, hatte sich bereits in den 60er Jahren als Glaskünstler einen Namen gemacht. Der heute 73-Jährige sagte zu und hat nun einen Entwurf vorgelegt, der sich vollends von tradierten religiösen Darstellungen verabschiedet und durch Größe und Anordnung der Farbkomponenten vielmehr abstrakt daher kommt. Nach seinen Vorstellungen, die im Mai dieses Jahres vom Domkapitel abgesegnet wurden, wird die 113 Quadratmeter große Fensterfläche durch eine Glaswand gefüllt, die sich aus insgesamt 11.500 kleinen Farbquadraten zusammensetzt. Diese dürften nach Vollendung der Arbeiten im Frühjahr 2007 eine vibrierende Farbintensität in den Dom bringen. Auf die Frage, ob seinem Entwurf eine religiöse Dimension innewohne, antwortete Richter: „Das ist schwer zu sagen. Irgendwie hat Gott immer was damit zu tun.“ Domprobst Feldhoff sprang dem Künstler zu Seite: „Das Fenster stellt nicht per se etwas Religiöses dar, sondern regt zu Stille an. Es animiert zur Meditation.“

Die größte Freude hat Gerhard Richter dem Domprobst wohl mit seiner Ankündigung gemacht, seinerseits auf ein Honorar zu verzichten. „Der Künstler schenkt uns nicht nur die Idee, sondern dazu noch seinen Entwurf“, kommentierte Feldhoff: „Schätze, da wären wohl etwas mehr als tausend Euro fällig geworden.“ Insgesamt werden sich nach Angaben des Domprobstes die Kosten bis zur Fertigstellung der Arbeiten auf etwa 400.000 Euro belaufen. Und da Gerhard Richter schon mit gutem Beispiel vorangegangen sei, forderte er die „vielen Freunden und Förderer des Kölner Doms“ auf, die Summe durch Spenden aufzubringen. Die römische Kirche wäre wohl nicht die katholische Kirche, ginge sie nicht sogleich mit dem Klingelbeutel herum.

Fensterstiftungen im Kölner Dom haben eine Jahrhunderte alte Tradition, die bis heute, etwa durch königliche Wappen in den Verglasungen, sichtbar ist. „Wir sind durchaus an den Scherflein der Witwe interessiert“, sagte der Domprobst mit einem süffisanten Lächeln, „aber das müssten dann schon sehr viele sein.“ So wie die Fenster aus tausenden kleinen Farbscheiben bestünden, so soll auch die Finanzierung durch viele kleine, aber möglichst auch größere Spenden erfolgen. Großherzige Sponsoren winkt ein besonderes, von Gerhard Richter signiertes Dankeschön.