Ein Crashkurs in Diplomatie

Beim „Junior Campus“ haben 26 Schüler mit Migrationshintergrund vier Tage lang über politisches Engagement Jugendlicher diskutiert. Manche hat das darin bestärkt, künftig selbst aktiv zu werden

Klaus Tovar musste sich eines Besseren belehren lassen: „Offensichtlich habe ich keine Ahnung von der heutigen Jugend. Ich hatte mit nuschelnden Kindern gerechnet, die mit den Händen in der Tasche gegen die Wand sprechen“, gesteht der Leiter der SPD-Parteischule im Willy-Brandt-Haus.

Weit gefehlt: Die 26 Teilnehmer des „Junior Campus“ treten als überzeugende Redner auf. Die 17- bis 19-Jährigen stellten gestern in der SPD-Zentrale ihre Ergebnisse zum Thema „Mut zur Verantwortung. Politisches und ziviles Engagement Jugendlicher in der Gesellschaft von morgen“ vor, das sie vier Tage lang mit Politikern und gesellschaftlichen Persönlichkeiten analysiert, diskutiert und in Projektgruppen bearbeitet haben.

Eigentlich merkwürdig, dass der Politiker den Jugendlichen so wenig zutraut. Denn genau das wollten die Organisatoren des „Junior Campus“ vom Verein Berlinpolis zeigen: dass die Schüler, die meisten mit Migrationshintergrund, etwas draufhaben und diese Potenziale erkannt werden sollten. „Die vielen positiven Beispiele für die Integration junger Menschen sollen sichtbar gemacht werden. Wir wollen zeigen, dass es unter den Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund nicht nur Schulabbrecher gibt, wie es in den Schlagzeilen à la Rütli-Schule heißt“, sagt Katharina Leinberger, Projektmitarbeiterin bei Berlinpolis.

Der „Junior Campus“ findet bereits zum zweiten Mal in Berlin statt. Finanziert wird er größtenteils vom „Start“-Programm der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, das begabte Zuwanderer in Schulen fördert. „Wir wollen mit unserem Fortbildungsangebot Jugendliche darin bestärken, Verantwortung zu übernehmen und sich zu engagieren“, so Leinberger.

Vom 25. bis zum 28. Juli hatten die Teilnehmer des „Junior Campus“ Gelegenheit, Vorträge von Politikern zu hören und politische Einrichtungen zu besuchen. Zum Beispiel das Auswärtige Amt und die israelische Botschaft – was in „diesen schwierigen Zeiten“, wie es ein Teilnehmer formuliert, „für uns sehr spannend war“. Nebenbei entwickelten die Jugendlichen in Gruppen Ideen für politisches Engagement in Parteien, NGOs, bürgerschaftlichen Initiativen und Jugendarbeit. Die Projektarbeit fand in Räumen der Humboldt-Universität und der Hertie School of Governance statt.

Filiz Keküllüoglu hat in den vergangenen Tagen an der Arbeitsgruppe „NGO“ teilgenommen. Die Kreuzbergerin, deren Familie vor ihrer Geburt aus der Türkei nach Deutschland kam, hat gerade in einem Neuköllner Gymnasium das Abitur mit der Note 1,3 bestanden. Nun möchte sie Politik studieren.

Ein Vorschlag der von ihrer Gruppe fiktiv gegründeten NGO „Global Youth Movement – GYM“ ist, dass „Juniorbotschafter“ die Arbeit der Botschafter in Krisengebieten ergänzen könnten. Nach dem „Junior Campus“ bleibe zwar wenig von den erarbeiteten Inhalten übrig – die NGO „GYM“ werde keine Umsetzung in der Realität finden, sagt Filiz Keküllüoglu. Die Sommerakademie habe sie aber in ihrer Studienwahl bestärkt. „Vor allem die Gespräche mit der Abgeordneten Dilek Kolat (SPD), die auch einen Migrationshintergrund hat, haben mir gezeigt, dass die Arbeit mit migrationspolitischen Themen etwas für mich wäre“, so die 19-Jährige. NADJA DUMOUCHEL