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Hochflugziel Peking

Böser Wind, harte Stäbe: Wie die Stabhochspringer Marvin Reitze und Danny Ecker ihre Form testeten

LEVERKUSEN taz ■ Marvin Reitze hat es eilig. Er muss seine „Stäbchen“ verpacken. Die fliegen am Abend schon nach Peking. Die etwa fünf Meter lange Tasche soll schnellstmöglich zum Flughafen. Er selbst darf in wenigen Minuten zur Siegerehrung. Bei den Junioren im Stabhochsprung belegte der 17-Jährige mit 5,46 Meter beim Bayer-Leichtathletik-Meeting auf der Fritz-Jacobi- Sportanlage in Leverkusen-Manfort den ersten Platz. Er ist zufrieden mit seiner Leistung. Trotz leichtem Regen hat er seine letzten Resultate noch überboten. In einer Woche wird er wieder bei seinem Turngerät sein, in der chinesischen Hauptstadt bei der U-20-Junioren-WM.

Seit zehn Jahren bereits ist Marvin Reitze beim TSV Bayer. In allen anderen Leichtathletikdisziplinien war er gut. Als 12-jähriger entschied er sich dann für den Stabhochsprung. Inzwischen trainiert er fünf Mal in der Woche. Krafttraining mache ihm nicht so viel Spaß, gibt er, noch etwas außer Atem, zu. Aber das Reizvolle am Stabhochsprung sei das Turnerische. Es sei ein Sport, bei dem es nicht nur auf die Muskeln ankomme. In ein paar Jahren möchte er auch ganz oben dabei sein. Aber mehr Zeit für ein Gespräch hat er nun wirklich nicht. Er muss jetzt aufs Treppchen.

Etwas später beginnen die ganz und gar erwachsenen Stabhochspringer mit ihren Probesprüngen. Einer von ihnen ist Danny Ecker. Dunkle Locken, sehniger Körper. Zunächst inspiziert der 29-Jährige das Material. Am Anfang wird er mit einem weicheren Stab springen, später zu härteren wechseln. Fünf verschiedene Härten gibt es. Eine Steigerung der Leistung kalkuliert er ein. Bei den härteren Stäben braucht er mehr Kraft. Aber dafür kommt er dann auch höher. Die Tartanbahn hier kennt er gut. Schließlich ist das Stadion Trainingsstätte seines Vereins. In anderen Städten ist es schwieriger. Jede Bahn ist unterschiedlich, zehn Jahre alte Beläge federn weniger als fabrikneue.

Nach einigen Probeläufen weiß Ecker, wo er die Ablaufmarke positioniert. Die Schrittfolge bis zum Sprung gleicht einer Choreografie. Zentimetergenau muss der Stab platziert werden. Dann macht er etwas Gymnastik. Dehnübungen, kleine Sprünge, kurzes Laufen. Eigentlich kann es jetzt losgehen. Doch da dreht der Wind. Ein Phänomen, das für Leverkusen typisch sei, sagt Ecker. „Böser Gegenwind!“ Viele helfende Hände bauen das Gestell um. Inzwischen hat die Dämmerung eingesetzt. Das Flutlicht wird angestellt. Da alle anderen Wettkämpfe des Meetings schon beendet sind, laufen die etwa 2.000 Besucher von der Tribüne zu den Stabhochspringern. Eine Menschentraube bildet sich um die Bahn. Volksfeststimmung. Ein Junge möchte noch ein Autogramm haben. „Nicht jetzt, später gern“, wimmelt Danny Ecker den Fan freundlich ab.

Rhythmisches Klatschen, Johlen, Rufen. Ecker läuft, steckt den Stab in die Mulde, reißt sich hoch. Wie ein umgedrehtes „U“ rutscht er über die Latte. 5,70 Meter. Dann aber, beim Sprung über 5,80 Meter erwischt er die Latte. Dabei hat er vor einigen Jahren schon einmal sechs Meter geschafft. „Ich wär gern höher gesprungen. Aber vieles muss da zusammen kommen“, erklärt der mehrmalige Deutsche Meister später. Nicht nur die körperliche Leistung spielt eine Rolle. Die Latte kann bis zu 80 Zentimeter nach hinten verstellt werden. Am besten ist es, wenn sie sich genau am Scheitelpunkt des Sprunges befindet. Die richtige Auswahl der Stäbe, der perfekte Anlauf, es gibt viel zu beachten. Nach Tim Lobinger von ASV Köln, der 5,85 m schaffte, belegt Ecker zusammen mit Björn Otto vom LAV Bayer Uerdingen/Dormagen den zweiten Platz.

Bei den Stabhochspringern, so erklärt Danny Ecker, gebe es zwei unausgesprochene Ziele. Erstens: ein Sprung von sechs Metern. Den hat er bereits geschafft. Zweitens: eine Medallie bei Olympia. In Sydney war er Achter, in Athen Fünfter. Ob er 2008 nach Peking reisen darf, wird sich erst noch entscheiden. Bei der Europameisterschaft in Göteborg fehlt er in der kommenden Woche. Ecker hatte nur Rang vier erreicht bei der Deutschen Meisterschaft vor einigen Tagen.

Für eine Olympiaqualifikation müsse er wiederum einer der drei Besten sein, sagt Ecker. Das sei natürlich auch eine Mentalitätsfrage. Der Athlet, der nebenher noch ein BWL-Studium an der Fernuni Hagen absolviert, charakterisiert sich als zielorientiert und entspannt zugleich. Der Stabhochspringer friste ein Löwendasein. „Viel Ruhe. Aber dann, wenn es drauf ankommt, muss man jagen können.“ Danny Ecker hat mit neun Jahren angefangen mit dem hohen Springen. So früh sei er zur Leichtathletik gekommen, weil seine Mutter (die frühere Weltklasse-Leichtathletin Heide Rosendahl) Trainerin bei Bayer war. Ihren Namen erwähnt er nicht.

LUTZ DEBUS

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