Vom Warlord zum Vermittler

An Nabih Berri führt kein Weg vorbei. Sollte es in den kommenden Wochen zu Verhandlungen über ein Ende des Libanon-Krieges kommen, wird der 68-jährige libanesische Parlamentspräsident einer der meist gehandelten Gesprächspartner sein. Schließlich haben die Regierung von Premierminister Fouad Siniora ebenso wie die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte schiitische Hisbollah („Partei Gottes“) Berri als ihren Verbindungsmann zu möglichen ausländischen Verhandlungspartnern akzeptiert. In der vergangenen Woche trafen sich Hisbollah-Repräsentanten weder mit US-Außenministerin Condoleezza Rice noch mit EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Nur Berri saß in Beirut mit beiden zusammen. Politisch passt zwischen den Führern der beiden größten schiitischen Massenorganisationen kein Fußbreit. Berri steht bereits seit 1980 der zehn Jahre später von einer Miliz zur Partei umgewandelten Amal vor, Nasrallah seit 1996 der Hisbollah. Die Abspaltung der Hisbollah von der Amal in den 1980er-Jahren und die drei Jahre dauernden Kämpfe der beiden schiitischen Fraktionen untereinander während des Bürgerkrieges (1975–1990) sind längst Vergangenheit. Die Politikwissenschaftlerin Amal Saad-Ghorayeb sagt, dass Amal und Hisbollah spätestens seit der Ermordung von Libanons Expremier Rafik al-Hariri 2005 politisch nichts mehr trenne. Berri soll seine Anhänger sogar aufgerufen haben, im Falle seines Todes geschlossen zur Hisbollah überzutreten.

In den anderthalb Jahrzehnten nach Ende des Bürgerkrieges war Hariri Berris großer Gegenspieler. Seit 1992 hat der im Südlibanon aufgewachsene Schiit das Amt des Parlamentspräsidenten inne, das laut Nationalem Pakt von 1943 immer einem Repräsentanten der inzwischen größten Konfessionsgemeinschaft im Land zukommt. In die Politik fand der 1938 wie viele libanesische Schiiten in Sierra Leone geborene Berri in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre, als er der von Imam Mussa al-Sadr gegründeten Bewegung der Entrechteten (Karakat al-Mahrumin) beitrat. Nach dem rätselhaften Verschwinden Sadrs 1978 in Libyen übernahm er dessen Posten als Amal-Generalsekretär – und ab 1984 mehrere Ministerämter in unterschiedlichen Kriegskabinetten. So wie Berri nach Ende des Bürgerkrieges 1990 die Umwandlung der Miliz in eine schlagkräftige Partei gelang, so hoffen nun viele, dass er bei möglichen Verhandlungen über ein Ende des Krieges ebenfalls ein glückliches Händchen beweist. Von den Forderungen nach einem Gefangenenaustausch und der Rückgabe der von Israel besetzten Schebaa-Farmen wird er kaum abrücken. MARKUS BICKEL