„Das hätte jedem passieren können“

Vorfahrt missachtet: Amtsgericht verurteilt Pensionär wegen fahrlässiger Tötung eines Motorradfahrers

„Dieser Vorfall hat mich wirklich erschüttert, und ich habe in meinem Leben schon Einiges erlebt – bis hin zum Krieg.“ Bei seinem Schlusswort vor dem Bremer Amtsgericht hält Martin T. den Blick gesenkt. Am 12. September letzten Jahres hatte der 70-Jährige einen Motorradfahrer getötet. Er missachtete an der Kreuzung Brixener Straße/Hemmstraße in Findorff die Rechts-Vor-Links-Regel, fuhr zu weit in die Kreuzung hinein. Der Zweirad-Fahrer, 47 Jahre alt, hatte keine Chance. Er prallte auf den silbernen C-Klasse-Mercedes von Martin T. und zog sich dabei schwere innere Verletzungen zu, welchen er kurze Zeit später im Klinikum Mitte erlag.

Wegen fahrlässiger Tötung verurteilte Richter Ulrich Hoffmann T. gestern zu einer Strafe von 90 Tagessätzen à 60 Euro – gerade noch so niedrig, dass T. nicht vorbestraft ist. Damit folgte er dem Plädoyer von Verteidiger Jörg Hübel. Zugute hielt er dem früheren Ingenieur, dass dieser keinerlei Vorstrafen habe und zuvor auch nicht durch Verkehrsdelikte aufgefallen sei. Außerdem bestreite der Angeklagte nicht, die Rechts-Vor-Links-Regel an der Unfall-Kreuzung missachtet zu haben.

Von Vorsätzlichkeit könne in diesem Fall keine Rede sein, sind sich Verteidigung, Richter und Staatsanwaltschaft einig. Die „Unaufmerksamkeit“ von Martin T., sagt Staatsanwältin Monika Schäfer, hätte „jedem Autofahrer“ passieren können. Verteidiger Hübel spricht von einer „tragischen Verkettung von Umständen“. Martin T. hatte sich langsam in die Kreuzung vorgetastet – mit lediglich drei bis fünf Stundenkilometern, wie ein Gutachten ergab. Er habe den heranrollenden Motorradfahrer aber nicht gesehen, gab T. gestern an.

Den Führerschein wollte der Richter deswegen nicht kassieren. Aber, so sein eindringlicher Appell an T.: „Wenn Sie nur den leisesten Zweifel daran haben, dass sie dem Straßenverkehr nicht mehr gewachsen sind, ziehen Sie die Konsequenz.“

Hoffmann räumte ein, dass es in diesem Fall nicht leicht sei, das richtige Strafmaß zu finden. Schließlich habe ein vergleichbar kleines Vergehen verheerende Auswirkungen gehabt: „Da ringe ich auch mit mir.“

Neben der vom Gericht verhängten Geldstrafe sieht der Richter den Angeklagten allerdings noch mit einer weiteren Strafe konfrontiert: „Sie werden immer mit diesen Bildern im Kopf weiterleben müssen.“ Thor