Israel-Gegner schreien sich stark

Am Sonntag versammelten sich über 400 aufgebrachte Demonstranten zu einer Anti-Israel-Kundgebung auf dem Breitscheidplatz vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Trotz hasserfüllter Stimmung blieb es bis zum Ende friedlich

Sonntagmittag ging eine Eilanmeldung bei der Polizei ein, am frühen Abend sollte eine Kundgebung auf dem Breitscheidplatz stattfinden. Die Palästinensische Gemeinde und mehrere arabische Vereine hatten dazu aufgerufen – per SMS und Fax benachrichtigten sie im Laufe des Tages ihre Freunde und Bekannte. Anlass sei der israelische Angriff auf das libanesische Dorf Kana gewesen, sagen die Veranstalter.

Die Stimmung ist aufgeregt, als sich gegen 17.30 Uhr hunderte von Demonstranten vor der Gedächtniskirche versammeln. Viele haben Libanon- oder Palästinaflaggen mitgebracht. Immer wieder skandieren sie: „Kein Platz für Israel!“ und „Hisbollah bis zum Sieg!“ Die meisten der Teilnehmer sind mit denselben Transparenten und Bildern schon auf der Demonstration am Samstag gewesen. Diesmal werden aber wesentlich mehr gelbe Hisbollah-Fahnen geschwenkt, über Lautsprecher wird Hassan Nasrallah als „Beschützer“ und „Held“ bezeichnet und beklatscht. Die Menschen sind aufgebracht und rufen in Sprechchören durcheinander – die Nachricht von über 30 toten Kindern in Kana lässt sie im wahrsten Sinn des Wortes „aufschreien“. Fotos von Kinderleichen werden hochgehalten.

Der stellvertretende Vorsitzende der unabhängigen Deutsch-Arabischen Gemeinde, Nader Khalil, sagt: „Die Leute schreien sich die Wut und die Trauer aus dem Leib. Israels Angriffe radikalisieren uns doch erst.“ Khalil bleibt dennoch skeptisch am Rand der Kundgebung stehen: „So kommt die Botschaft aber nie an! Wir sind viel zu emotional. Das verschreckt die Deutschen doch bloß.“ Er schüttelt den Kopf, als eine junge arabische Frau, die immer wieder das Mikrofon ergreift, der deutschen Bevölkerung droht: „Wir kommen wie die Pilze aus der Erde. Wie die Hisbollah.“ Khalil versucht zu erklären: „Man will sich jetzt starkreden.“

Die Polizeibeamten greifen nicht ein, keines der genannten oder gezeigten Motive erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung, erklärt ein Beamter. Daher sind auch nur wenige Polizeibusse gekommen. Neben Nasrallah-Porträts werden Transparente mit der Aufschrift „Stoppt Israels Krieg“ und „Stoppt das Massaker“ hochgehalten. Eine verschleierte Frau mit einem Stapel aus dem Internet ausgedruckter Bilder von Kinderleichen geht umher, um deutsche Passanten anzusprechen: „Die Deutschen verstehen uns nicht. Aber ich habe diese toten Kinder selbst gesehen“, sagt sie. Die Frau am Mikrofon ruft jetzt: „Allahu akbar!“ – Gott ist größer! –, und: „Wir halten es nicht mehr aus!“

Trotz der hasserfüllten und teilweise verzweifelten Stimmung bleibt die Kundgebung bis zu ihrem Ende gegen 20 Uhr friedlich und ruhig – unterbrochen lediglich von den Glocken der Gedächtniskirche, die zum Abendgottesdienst laden und für kurze Zeit selbst die lautesten Rufe übertönen. Eva Gnädig