Reiche Kinder von Mülheim

Gegen Proteste einer Elternlobby wird die Stadt Mülheim/Ruhr solventeren Eltern verstärkt in die Taschen greifen. Die sind empört, klagen über Kinderfeindlichkeit und drohen mit Abwanderung

VON MORITZ SCHRÖDER

Ein seltenes Bündnis aus Grünen und Liberalen protestiert in Mülheim an der Ruhr gegen die Schröpfung von Wohlhabenden. Für die Kinder von GutverdienerInnen kostet der Kindergarten seit gestern besonders viel. Dafür machten die Ratsfraktionen der SPD und CDU am Montag im Stadtrat den Weg frei. Die Abgeordneten der Grünen und der Fraktion Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) verließen aus Protest den Ratssaal und stimmten erst gar nicht mit.

„Das war eine peinliche Veranstaltung“, sagt Tim Giesbert, jugendpolitischer Sprecher der Grünenfraktion, über die Ratssitzung am Montag. „Kaffeesatzleserei“ betrieben die CDU und SPD mit ihrer neuen Gebührensatzung für die Kinderbetreuung. Bisher bestimmte ein Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder landesweit einheitliche Gebühren. Doch die klamme Landesregierung spart bei der Kofinanzierung – wenn das neue Kindergartenjahr beginnt bekommt deshalb allein Mülheim 1,2 Millionen Euro weniger.

Der Sparkurs betrifft alle Kommunen im Land. Doch Mülheim will die privaten Elterngebühren für die 38 städtischen Einrichtungen besonders drastisch erhöhen, bei den hohen Einkommensklassen über 72.000 Euro teilweise um mehr als 100 Prozent. „Das ist zu viel“, klagt FDP-Fraktionsvorsitzende Brigitte Mangen. Die Berechnungen für die neuen Gebühren beruhten auf bloßen Hochrechnungen. Die FDP möchte die Kommunalaufsicht einschalten, um die Daten zu überprüfen.

Allerdings verlieren nicht alle mit den neuen Gebühren: GeringverdienerInnen bis zu einem Einkommen von 24 000 Euro zahlen sogar weniger. Reiche Städte wie Düsseldorf erhöhten die Gebühren sehr viel weniger stark: Dort kostet der Kindergarten für den reichsten Teil der Bürger 200 Euro monatlich, in Mülheim 100 Euro mehr.

Einvernehmlich kritisiert das Bündnis aus Liberalen, Grünen und MBI die besondere Belastung für Mütter mit einem mittleren Einkommen. Sie würden durch die höheren Gebühren dazu gezwungen, ihren Job aufzugeben, so Giesbert: „Das ist ein Rückfall in veraltete Familienstrukturen.“ Außerdem würden die Kosten durch die neue Gebührensatzung weiter steigen, weil betroffene Eltern ihre Kinder nun aus Protest in eine der sieben privaten Einrichtungen in Mülheim schickten.

Während die Grünen auch in Zukunft auf die Grundversorgung der städtischen Einrichtungen setzen, hat das Elternnetzwerk in Mülheim, das die protestierenden HochverdienerInnen vertritt, bereits erfolglos versucht, einen eigenen privaten Kindergarten zu gründen. Der sei zwar in der Regel nicht günstiger, „bevor ich der Stadt das Geld gebe, schicke ich meine Kinder aber lieber zur privaten Betreuung“, so der Sprecher des Elternnetzwerks, Yusuf Yoldas. Auch Giesbert weiß von Eltern, die jetzt zu den Privaten wechseln möchten.

Mit dem Proteststurm kann die Stadtverwaltung nicht viel anfangen. Nach Jugenddezernent Peter Vermeulen würden lediglich 800 der 4 800 BeitragszahlerInnen mehr belastet. „Wir haben einen Nothaushalt und können die Kindergärten nicht durch mehr Kredite finanzieren“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels.