TTIP nicht gestoppt

PROGRAMM Die Grünen wollen einen Neustart der Verhandlungen über das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA

„Ob ich Verhandlungen aussetze oder stoppe, das ist mehr eine Frage der Tonalität“

SVEN GIEGOLD, NEUER EUROPASPITZENKANDIDAT

DRESDEN taz | Es war die große inhaltliche Debatte des Europaparteitags in Dresden: Wie und wo genau positionieren sich die Grünen im wachsenden Spektrum der Kritiker des geplanten Freihandelsabkommens von EU und USA? Eine wichtige Frage, auch weil der Protest gegen die laufenden Freihandelsgespräche zwischen Brüssel und Washington ein Mobilisierungsfaktor für die Europawahl im Mai werden könnte.

Der ursprüngliche Programmentwurf für die Europawahl erschien vielen in der Partei zu lasch. Darin hieß es lapidar, das umstrittene Megaprojekt biete „Chancen und Risiken“. Auch namhafte Realos forderten im Vorfeld des Parteitags, die Grünen sollten sich klar dem Protest vieler NGOs anschließen. Deren Forderung lautet „Stoppt TTIP“. TTIP – so wird die „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ in englischer Kurzversion genannt.

Es ist ein Projekt, das in der weltgrößten Freihandelszone münden und Europa großes Wirtschaftswachstum und viele neue Arbeitsplätze bringen soll. Damit zumindest werben seine Befürworter. Doch viele Grüne fürchten die Negativfolgen: „Wir wollen nicht, dass Hormonfleisch oder Chlorhühnchen in die EU kommen“, warnte Parteichefin Simone Peter bereits in ihrer Eröffnungsrede. „Wir werden nicht zulassen, dass TTIP die Tore öffnet für Gentechnik in unseren Lebensmitteln.“

Die „Stopp“-Forderung lehnten die Delegierten beim Parteitag jedoch ebenso ab wie die von Realos um den Europa-Grünen-Chef Bütikofer propagierte Version, bei den laufenden TTIP-Verhandlungen nur auf inhaltliche „rote Linien“ zu pochen.

Die Mehrheit votierte stattdessen für eine vom Parteivorstand und dem Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, favorisierte Kompromisslösung. So ziehen die Grünen nun mit der Forderung nach einer „Aussetzung der Verhandlungen und einem kompletten Neustart“ in den Wahlkampf. Das Verfahren müsse transparenter sein und ein „neues Verhandlungsmandat“ errungen werden, heißt im beschlossenen Text.

Der ursprüngliche „Stopp“-Befürworter und neu gewählte Spitzenkandidat Sven Giegold zeigte sich trotzdem zufrieden. Aus seiner Sicht sind die Positionen „Stopp“ und „Aussetzen“ ohnehin fast deckungsgleich. „Ob ich Verhandlungen aussetze oder stoppe, das ist mehr eine Frage der Tonalität“, sagte Giegold der taz. „Ich finde den Unterschied nur semantisch, nicht substanziell.“ ASTRID GEISLER