Nachruf, Obituary, etc.: Zum Tod von Duygu Asena
Eine schöne Frau reiste vor Jahren durch das staubige Südostanatolien. In Antep sah sie Pistazien zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet. Sie setzte sich zu den Bäuerinnen, um zu plaudern. Da erkannte eine der Frauen sie: Duygu! Aus dem Stegreif begann sie feierlich aus dem Bestseller zu zitieren, den Duygu Asena 1987 geschrieben hat: „Die Frau hat keinen Namen“. „Kadinin adi yok“ wurde in der Türkei 40-mal aufgelegt, verfilmt und wegen „Obszönität“ angeklagt. Die türkische Feministin hatte ihren Finger mutig auf den wunden Punkt der türkischen Gesellschaft gelegt: die Sexualität. In einer Zeit, in der Bräute in der Hochzeitsnacht ermordet wurden, weil sie keine Jungfrauen mehr waren, forderte sie das Recht der Türkin auf den Orgasmus. Sie trat für das uneheliche Zusammenleben ein, weil die Ehe die Liebe tötet. Die tabuisierte weibliche Lust sprach sie auch in den Zeitschriften an, die sie ab Mitte der 1980er-Jahre nacheinander leitete: Kadinca, Onyedi, Kim. Selbst in den Regalen der türkischen Frauenzentren in Deutschland stapelten sich ihre Bücher, und in der Frauenarbeit aktive Türkinnen luden sie regelmäßig zu Veranstaltungen ein.
Duygu Asena, 1946 in Istanbul geboren, war ein Kind der laizistischen türkischen Republik. Sie kam aus der Mittelschicht, studierte Pädagogik, wuchs relativ frei auf. Als junge Istanbulerin wollte sie die von Männern für die Frauen gesetzten Grenzen nicht akzeptieren. Sie forderte alle Rechte, die auch ihre Geschlechtsgenossinnen in New York oder Paris hatten. Dass Duygu Asena von vielen, auch den Männern, geliebt wurde, lag an ihrer Schönheit: eine grünäugige Rothaarige mit einem runden hübschen Gesicht und einer sanften, einnehmenden und dennoch sehr entschiedenen Stimme. Duygu Asena liebte die Liebe und damit auch die Männer. Sie lebte ihre Forderungen – und nahm dafür in der Männergesellschaft der Türkei alles in Kauf. Mit gelben Rosen verabschiedeten sie gestern in Istanbul tausende. Die mutige Vorreiterin des modernen türkischen Feminismus starb am Wochenende als junge Sechzigjährige an einem Gehirntumor. Wir trauern um sie. DILEK ZAPTCIOGLU
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