ANNA LEHMANN ÜBER DAS VOLKSBEGEHREN FÜR GESAMTSCHULEN
: Progressiver Egoismus

Dass Niedersachsens beste Abiturientin von einer Gesamtschule kommt, spricht für sich

Noch so ein Volksbegehren engagierter Eltern. Die Hamburger Elterninitiative „Wir wollen lernen“ hat gerade vorgemacht, wie man mit den Mitteln direkter Demokratie egoistische Klientelinteressen durchsetzt. Nun rufen niedersächsische Eltern zur Änderung des Schulgesetzes auf. Doch dieser Schulstreit ist derzeit kein Klassenkampf.

Anders als in Hamburg stehen nicht die Interessen der gymnasialen Klasse im Vordergrund. Und doch finden auch die ihre Interessen beim „Bündnis für gute Schulen“ vertreten. Über 135.000 Menschen haben bereits für die Gründung neuer Gesamtschulen und für eine Rückkehr zum Abitur nach Klasse 13 unterschrieben.

Die Begeisterung für mehr Gemeinsamkeit erstaunt nur auf den ersten Blick. In Hamburg wollte der Senat mit der sechsjährigen gemeinsamen Grundschule einen Schultyp einführen, den kein/e HamburgerIn jemals besucht hatte. Die bildungsbewusste Schicht fürchtete Nachteile, wenn ihre strebsamen Kinder zu lange neben den Schluffis lernen.

In Niedersachsen sind Integrierte Gesamtschulen dagegen bekannt und akzeptiert. Sie machen vor, wie erfolgreich gemischte Lernteams sein können. Dass Niedersachsens beste Abiturientin in diesem Jahr von einer Gesamtschule kommt, in der sie bis zur zehnten Klasse mit Hauptschülern gelernt hat, spricht für sich. Dass die Integrierten Gesamtschulen reihenweise Bewerber ablehnen müssen, ist ein weiterer Beleg für ihren Erfolg.

Aber weil erfolgreiche Gesamtschulen das dreigliedrige Schulsystem gefährden, haben CDU und FDP Neugründungen solcher Schulen erschwert. Gegen diese ideologisch bornierte Politik begehren Eltern zu Recht auf. Man wünscht ihnen Erfolg. Weil die „Wir wollen das Beste für unser Kind“-Mentalität empörter Eltern auch mal Chancen für alle bietet.

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