Illusion Sicherheit
: Big Brother auf Schiene und Straße

Der Reflex ist der immergleiche: Nach dem Fund von bombenähnlichen Koffern in zwei Regionalexpress-Bahnlinien überbieten sich die Innenpolitiker von CDU und CSU in Forderungen nach „mehr Sicherheit“. Eine flächendeckende Videoüberwachung in Bahnhöfen und Zügen müsse her, so der Tenor. Und ganz nebenbei wird auch noch die totale Kontrolle der Autobahnen gefordert – wie der bayerische CSU-Hardliner Beckstein will auch der aus Nordrhein-Westfalen stammende CDU-Innenexperte den Zugriff auf Fotos und Daten aus den Schilderbrücken der LKW-Maut.

KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA

Mehr als Populismus ist das nicht. Die Anschläge auf die Londoner U-Bahn im vergangenen Jahr konnten auch durch die dort installierte extensive Videoüberwachung nicht verhindert werden. Erst Tage nach den Explosionen konnten die hilflosen Ermittler auf ihren Bildschirmen nachvollziehen, wie die Attentäter ihre mit Sprengstoff gefüllten Rucksäcke im Untergrund deponierten. Flächendeckende Überwachung dient also bestenfalls der Aufklärung – hundertprozentige Sicherheit dagegen bleibt eine Illusion.

Produziert wird dagegen der totale Überwachungsstaat. Jeden Versuch von Mobilität, sei es auf der Schiene oder auf der Straße, soll Big Brother nach dem Willen der Unions-Innenexperten künftig nachvollziehen können. Gefragt wäre jetzt der liberale Innenminister des größten Bundeslandes: Mit klaren Worten müsste Ingo Wolf der Kontrollwut der Christdemokraten, mit denen seine FDP nicht nur in NRW koaliert, ausbremsen. Doch Wolf, sonst auf jeden PR-Gag versessen, reagiert mit peinlichem Schweigen.

Umso deutlicher wird Wolfs Parteifreund Robert Orth: Völlig zu Recht warnt der, mit den Unions-Forderungen würden „Orwells kühnste Visionen“ wahr. Die Rechtsstaats- und Bürgerrechtspartei FDP aber bietet dennoch ein schwaches Bild: Gefragt wäre der Minister, nicht der Abgeordnete.